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Steigende oder fallende Kurse – worauf soll man nun setzen?
Ausgabe vom 17.06.2020
Steigende oder fallende Kurse – worauf soll man nun setzen?
von Sven Weisenhaus
Vor genau einer Woche hatte ich gemahnt, dass die Virus-Pandemie trotz vielerorts immer weitergehender Lockerungen noch keineswegs überstanden ist. Dazu verwies ich auf die Entwicklungen in Nord- und Südamerika. Passend dazu berichtet aktuell die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass sich das Coronavirus auf dem amerikanischen Kontinent immer schneller ausbreitet. Inzwischen gebe es dort mehr als 3,8 Millionen Fälle, fast 204.000 Menschen seien gestorben. „Und wir sehen keine Verlangsamung der Übertragungen", sagte die zuständige WHO-Regionaldirektorin Carissa Etienne laut Medienberichten.
Verkehrte Welt?
In der damaligen Börse-Intern hatte ich auch geschrieben, dass selbst in China, wo die Epidemie als erstes weitestgehend überstanden schien, die Wirtschaft keineswegs bereits wieder auf Vorkrisen-Niveau läuft und der Außenhandel durch die anhaltenden Probleme bei diversen Handelspartnern belastet sei. Die Unternehmen sind daher stärker auf den Binnenmarkt angewiesen. Doch wie aktuelle Daten (passend auch dazu) zeigen, stehen die Zeichen auch hier noch nicht wieder auf Aufschwung. Stattdessen fiel der Umsatz im Einzelhandel im Mai um 2,8 % und damit den 5. Monat in Folge.
Zwar ist der Rückgang geringer als noch im April (-7,5 %), doch dürfte es viele Marktbeobachter überrascht haben, dass es überhaupt erneut zu einem Rückgang gekommen ist. Denn eigentlich wäre mit Blick auf die Infektionszahlen und die Lockerungen in China ein deutlicher Anstieg zu erwarten gewesen. Auch mit Blick auf die gestrigen Einzelhandelsdaten aus den USA gibt dieser Rückgang Rätsel auf. Verkehrte Welt?
Doch vielleicht ist das Konsumverhalten der Menschen in den jeweiligen Ländern auch maßgeblich für die Entwicklung der Infektionszahlen. Dann ergeben die Zahlen wieder Sinn. In China scheinen die Menschen noch zurückhaltend, was Kontakte angeht, weshalb die offiziellen Infektionszahlen gering sind. In den USA scheinen die Menschen schon wieder die Shopping Malls zu stürmen, weshalb dort die Neuinfektionen relativ hoch sind.
Höhere Industrieproduktion passt zum Epidemie-Verlauf
Leichter erklären lässt es sich, dass nicht nur die US-Industrie inzwischen wieder etwas mehr produziert, sondern auch die chinesische. Sie stellte im Mai im Vergleich zum Vorjahresmonat 4,4 % mehr Waren her.
Das war der zweite Anstieg in Folge, nach zuvor drei Rückgängen in Folge. Hier passen die Daten zur Entwicklung der Epidemie und der Lockerungen. Allerdings hatten von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen mit einem Wachstum von 5,0 % gerechnet.
Es herrscht eine extrem hohe Unsicherheit
Die Anleger durchleben derzeit ein Wechselbad der Gefühle. Einige Konjunkturdaten fielen jüngst schlechter aus als erwartet, einige besser. Die Daten aus den USA (Arbeitsmarkt, Einzelhandel) haben deutlich positiv überrascht. Sie weckten Hoffnungen auf eine schnelle Konjunkturerholung, die Fed-Chef Jerome Powell mit seinen gestrigen Aussagen in einer Anhörung aber deutlich dämpfte. Er erwartet, dass die US-Wirtschaft noch lange Zeit unter dem Vor-Krisen-Niveau agieren wird und die Arbeitslosigkeit noch längere Zeit hoch bleiben wird. Aber genau bei letzterem hatte Powell doch jüngst so weit danebengelegen. Worauf soll man also nun setzen?
Folgt noch eine Welle C?
Und genau diese Frage kann man aktuell auch zum Aktienmarkt stellen. Torsten Ewert hatte am Montag ein Szenario für den DAX beschrieben, wonach wir eine Welle A gesehen haben, die aktuelle Kurserholung eine Welle B ist und darauf noch eine Welle C folgen wird. Dazu der Chart von Montag.
Mit im Hoch 12.434 Punkten hat der DAX dabei die von Torsten Ewert genannten Kursziele von 12.175,50 und 12.325,50 Punkten bereits übererfüllt. War der gestrige Kurseinbruch also schon der Auftakt zur Welle C? Soll man daher nun somit auf fallende Kurse setzen?
Läuft schon die Welle 5?
Halte ich den Target-Trend-Chart dagegen, so wie ich ihn bislang skizziert habe, dann hat der DAX mit der Abwärtsbewegung die Abwärtswelle 4 übererfüllt (siehe roter Pfeil im folgenden Chart). Und er könnte sich bereits in der blauen Aufwärtswelle 5 der grünen Welle 3 befinden (grüner Pfeil). Soll man daher nun somit auf steigende Kurse setzen?
Grundsätzlich halte ich es für möglich, dass derzeit das Szenario von Torsten Ewert läuft. Angesichts der fundamentalen Bewertung der US-Indizes halte ich dies sogar für wahrscheinlich. Aber den Lesern des Target-Trend-Spezial habe ich bereits geschrieben, dass die Welle 4 (blau) dann im Verhältnis zu den Wellen 1 und 2 (blau) sehr ausgeprägt daherkommen würde.
Doch das ist kein KO-Kriterium für das ABC-Szenario. Zumal es in der Elliott-Wellen-Theorie die sogenannte Wechselregel gibt. Diese besagt, dass die Welle 4 meist anders verläuft als die Welle 2. Im vorliegenden Fall fiel die Welle 2 recht kurz aus. Demnach wäre es durchaus logisch, dass die Welle 4 nun ausgedehnter daherkommt. Doch das Verhältnis der Wellen wäre mit seinem großen Unterschied schon ein sehr großer Schönheitsfehler.
Oder herrscht ein völlig anderes Szenario?
Vielleicht muss man die Elliott-Wellen aber auch anders zählen. Womöglich haben wir erst eine Welle 1 gesehen, auf die gerade die Welle 2 folgt – in Form einer ABC-Korrektur – bevor es dann im Rahmen der Welle 3 weiter aufwärts geht.
Doch auch hier wäre die aktuelle Welle 2 (blau) im Vergleich zu den anderen Wellen sehr ausgeprägt. Insbesondere wäre die übergeordnete Welle 2 (grün) kleiner als die aktuelle untergeordnete Welle 2 (blau). Das macht mich skeptisch.
Man könnte noch viele weitere Szenarien darstellen. Daher verwundert es nicht, dass die Anleger derzeit hochnervös sind. Man weiß eben einfach derzeit nicht, worauf man setzen soll, steigende oder fallende Kurse.
Klar ist, wenn der DAX nun weiter zulegen kann und über das Hoch von Anfang Juni bei 12.913,13 Punkten steigt, folgt keine Welle C mehr. Rutscht er hingegen unter das jüngste Korrekturtief vom Montag bei 11.597,82 Punkten, haben wir es zumindest mit einer ABC-Korrektur zu tun.
Auch eine große ABC-Formation wäre denkbar
Und wenn der DAX auch noch unter das Tief von Anfang Mai bei 10.160,89 Zählern fällt, sind die bullishen Elliott-Wellen-Szenarien hinfällig. Dann haben wir im DAX womöglich seit dem Tief im März eine große ABC-Kurserholung gesehen, der eine zweite große Abwärtsbewegung folgt.
Wie oben bereits geschrieben, halte ich noch einmal deutlich fallende Aktienkurse aus fundamentaler Sicht (hohe KGV-Bewertungen) für absolut realistisch. Achten Sie also auf die oben genannten Marken.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
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