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Ist die niedrige Volatilität ein nützliches Warnsignal?
Ausgabe vom 12.10.2017
Ist die niedrige Volatilität ein nützliches Warnsignal?
von Sven Weisenhaus
Es tut sich weiterhin nur sehr wenig an den Märkten. Der DAX setzt seine extrem enge Seitwärtsbewegung fort. Zwar konnte er heute ganz kurz und ganz knapp über die 13.000er Marke blicken (siehe grüner Kreis im folgenden Chart), was sofort ein dementsprechendes Medienecho hervorrief, doch prallten die Kurse letztlich erneut von dieser psychologisch wichtigen Hürde ab:
Damit hat sich eigentlich wenig geändert. Und auch bei vielen anderen Werten tendieren die Kurse seit Tagen lediglich seitwärts (zum Beispiel Bund-Future, Ölpreise etc.). Dies gibt mir die Gelegenheit, über Grundsätzliches zu schreiben.
Niedrige Volatilität deutet auf Sorglosigkeit der Anleger hin
Hier in der Börse-Intern habe ich zuletzt wiederholt erwähnt, dass die aktuell sehr niedrige Volatilität für eine gewisse Sorglosigkeit unter den Anlegern spricht und dies ein Warnsignal sein kann. Und nicht nur ich warne davor, sondern auch einige ausgewiesene Experten. Neben dem gestern erwähnten EZB-Ratsmitglied hat zum Beispiel auch die US-amerikanische Großbank JP Morgan längst vor der „trügerischen Ruhe“ an den Börsen gewarnt. Die niedrigen Spreads zwischen Staatsanleihen und riskanten Unternehmensanleihen und die niedrige Volatilität deuten nach Einschätzung der Analysten auf eine zu große Gelassenheit der Anleger hin.
Das ist so auch völlig korrekt. Doch diese Information allein kann man für Trades oder Investments nicht nutzen. Denn die Volatilität oder Volatilitätsindizes sind keine guten (Früh-)Indikatoren.
Das Problem der relativen Betrachtung
Es ist nämlich keineswegs so, dass es nach sehr engen Seitwärtsbewegungen häufig zu starken Kursverlusten oder gar Crashs kommt. Dies sieht man ja bereits am DAX-Chart oben. Wenn es allerdings nach engen Seitwärtsbewegungen zu einem stärkeren Kursverlust kommt, dann erscheint bereits ein relativ kleines Minus im Vergleich zur vorherigen Kursbandbreite sehr viel größer. Und das kann dann schnell zu Panik führen.
Dabei handelt es sich aber lediglich um ein Problem der Relation. Nehmen wir als Beispiel die aktuelle Handelsspanne des DAX (rechtes Rechteck im Chart oben). Diese beträgt über weite Strecken gerade einmal 40 Punkte - bzw. 0,3 %. Wenn es im DAX nun zu einem Kursrutsch von 160 Zählern kommt, dann kann dies schnell nach crashartigen Verkäufen aussehen (siehe roter Pfeil im folgenden Chart).
Doch letztlich lägen die Verluste bei diesem Beispiel gerade einmal bei 1,2 %. Im Vergleich zum vorangegangenen Anstieg (siehe folgender Chart) ist das nichts.
Und je weiter man den Chartausschnitt wählt, umso mickriger erscheint so ein (relativ kleiner) Rücksetzer.
Doch wenn einige Anleger sehr kurzfristig agieren und entsprechend kleine Chartabschnitte betrachten, kann ihnen die Psyche einen Streich spielen. Wird eine enge Seitwärtsrange gebrochen und zieht die Volatilität damit plötzlich an, könnte dies schnell panikartige Reaktionen hervorrufen. Ein weiteres Problem ist, dass durch die niedrige Volatilität viele Marktteilnehmer dazu verleitet werden, zu enge Stopps zu setzen. Wenn also die ersten Verkäufer tätig wurden und die Kurse bestimmte Marken reißen, können die Stopps zu kaskadenförmig ansteigen Verkaufsausführungen führen.
Und genau dies ist das Tückische an länger anhaltenden Märkten mit niedriger Volatilität: Die Anleger verlieren den Blick für die eigentlich normalen Schwankungsbreiten der Märkte. Vor nicht allzu langer Zeit waren Tagesbewegungen von 2 % oder mehr im DAX nicht ungewöhnlich. Aber stellen Sie sich im aktuellen Kursumfeld einmal eine solche Bewegung vor:
Seien Sie versichert, auch ich würde bei einem solchen Verlauf wie wild das Internet nach Gründen für diesen Kursrutsch durchsuchen und mir sehr genau mein Depot anschauen. Nicht weil ich schnell in Panik gerate, sondern weil ich eben aus der langjährigen Erfahrung weiß: wenn die Märkte einbrechen, kann dies oft sehr schnell gehen. Hier muss man also sehr präzise reagieren.
Meine Tipps zum Thema Volatilität:
Grundsätzlich ist es völlig normal, dass mit kontinuierlich steigenden Kursen die Volatilität immer weiter abnimmt. Eine niedrige Volatilität allein ist daher noch kein Anzeichen für einen bevorstehenden Crash oder auch nur eine stärkere Korrektur. Doch eine relativ kleine Bewegung, die lediglich ein wenig größer ausfällt als die Kursbewegungen der vorangegangenen Tage (oder gar Wochen), kann in einem Umfeld sehr niedriger Volatilität schnell zu einer Lawine werden. Insofern sollte man wachsam bleiben.
Als Frühindikator taugt die Volatilität aber nicht. Und daher sollte man auf keinen Fall auf fallende Kurse setzen, nur weil die Volatilität sinkt. Und man sollte auch nicht auf steigende Volatilitätsindizes setzen, weil sie aktuell tief notieren. Bei solchen Trades muss man ein perfektes Timing haben. Denn die Volatilitätsindizes (wie der VIX oder der VDAX new) steigen erst dann, wenn der Markt bereits dynamisch fällt. Das kann aber, wie man aktuell sieht, wesentlich länger dauern als man denkt. Und da die wenigen Produkte, die auf die Volatilitätsindizes emittiert sind, meist einen erheblichen Zeitwertverlust beinhaltenen, verliert man Geld, wenn sich die Kurse nicht bewegen.
Und noch ein weiterer Tipp: Wenn es zu ersten dynamischen Bewegungen kommt, sollte man zunächst auf bestätigende Signale warten, also zum Beispiel eine zweite oder sogar dritte Kerze. Denn in länger anhaltenden Seitwärtsphasen muss man stets mit Fehlsignalen rechnen (siehe auch die Fehlausbrüche des DAX in den Charts oben).
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
www.stockstreet.de
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