Nun ist es amtlich, zumindest vorläufig: Das Wachstumstempo der Eurozone hat das der USA überholt. Im 4. Quartal 2017 stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Eurozone im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,7 %. Das geht aus einer heute veröffentlichten Schnellschätzung von Eurostat hervor (siehe Tabelle). Das Wachstum der USA lag nach ersten Erhebungen „nur“ bei 2,5 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
(Quelle: Eurostat)
Auch im gesamten Kalenderjahr 2017 lag der Zuwachs der Euro-Wirtschaftsaktivität mit +2,5 % über dem der USA (+2,3 %).
Starke Euro-Wirtschaft - starker Euro
Schaut man auf die aktuellen Frühindikatoren, könnte diese Tendenz auch in 2018 anhalten (siehe auch Börse-Intern vom 25.01.2018). Man muss aber wohl noch die genauen Effekte der US-Steuerreform abwarten. Doch aktuell lässt sich mit diesen Daten zumindest die Stärke des Euro zum US-Dollar (EUR/USD) erklären.
Starker Euro - schwacher DAX?
Und mit der Wechselkursentwicklung kann man wiederum erklären, warum der DAX gegenüber den US-Indizes schon seit längerem eine relative Schwäche zeigt. Im DAX finden sich viele exportorientierte Unternehmen. Steigt der EUR/USD-Kurs, werden deren Waren für Käufer, die in US-Dollar bezahlen, teurer. Die Käufer können sich für das gleiche Geld also weniger Waren leisten. Oder sie kaufen einfach im Dollarraum hergestellte Alternativen, womit die US-Umsätze der DAX-Unternehmen nicht nur sinken, sondern gleich komplett entfallen (vereinfacht geschrieben - die Realität ist natürlich viel differenzierter).
Euro und DAX korrelieren nicht 1:1
Nun gibt es aber nicht für jedes in Deutschland hergestellte Produkt eine Alternative. Zudem produzieren Unternehmen aus dem DAX auch in den USA, so dass die Waren nicht ex- bzw. importiert werden müssen und in diesem Fall der Wechselkurs keine so große Rolle spielt. Daher wirkt sich ein veränderter Wechselkurs auch nicht zu 100 % auf die DAX-Entwicklung aus. Und deshalb gibt es auch nur eine geringe oder nur temporäre Korrelation zwischen EUR/USD und DAX.
Starker Euro - relativ schwacher DAX
Aber eindeutig sichtbar wird das Wechselkursproblem, wenn man die relative Kursentwicklung vom DAX gegenüber den US-Indizes mit der Kursentwicklung des EUR/USD vergleicht. Genau dies hat Robert Halver von der Baader Bank kürzlich getan und folgenden Chart in seiner Kapitalmarktanalyse veröffentlicht.
Hier zeigt sich ganz klar, dass ein steigender EUR/USD (blaue Linie) zu einer DAX-Schwäche im Vergleich zu den US-Indizes (rote Linie) führt. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn es zu größeren Wechselkursveränderungen kommt. Denn bei kleineren Schwankungen können sich einerseits die Hersteller noch problemlos gegen Wechselkursveränderungen absichern (hedgen), andererseits greifen die Kunden nicht schon bei kleineren Preisunterschieden zu substitutiven (alternativen) Gütern (Markentreue), sondern eben erst, wenn der Preisunterschied gravierend wird. Auch deshalb wirkt sich nicht jede Kursveränderung von EUR/USD auf den DAX aus.
Export-Wirtschaft profitiert von schwacher Währung
Es ist aber unzweifelhaft, dass eine anhaltende Wechselkursanpassung zu einem Standortvor- bzw. nachteil führen kann. Und daher bevorzugen die USA hinter vorgehaltener Hand auch einen schwächeren US-Dollar. Nicht ohne Grund hatte US-Finanzminister Mnuchin auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos gesagt, dass ein schwacher Dollar gut für die USA sei, weil er den Handel fördere.
Starker Euro durchkreuzt die EZB-Ziele
Diese Aufwertungstendenz des Euro sollte aber bald enden. Denn zwar erscheinen die Null- und Negativzinspolitik sowie das QE-Programm angesichts der positiven Wirtschaftsentwicklung inzwischen überflüssig, doch für die Europäische Zentralbank (EZB) ist nur die Preisstabilität entscheidend. Und diese ist erst bei einer Inflation von ca. 2 % erreicht. Ein starker Euro drückt aber auf die Inflation, weil importierte Güter wie in US-Dollar gehandelte Rohstoffe damit günstiger werden. Dadurch verfehlt die EZB ihr geldpolitisches Ziel und muss folglich länger an der expansiven Geldpolitik festhalten. Und dies schwächt den Euro tendenziell.
Schwacher US-Dollar hilft der US-Notenbank
Zugleich kann die US-Notenbank ihren eingeschlagenen Pfad der graduellen Zinserhöhungen fortsetzen, weil der schwächere US-Dollar das heimische Wirtschaftswachstum unterstützt. Dadurch wird der Renditeunterschied zwischen Euro und US-Dollar immer größer, was zu Geldflüssen vom Euroraum in den US-Dollar führen kann. In diesem Fall wird der Euro angeboten und der US-Dollar nachgefragt. Entsprechend sinkt der Euro und steigt der Dollar. Kürzlich erreichte die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen bereits mit über 2,72 % den höchsten Stand seit April 2014.
Fazit
Die Euro-Stärke ist angesichts der aktuellen Wirtschaftsdaten durchaus begründet. Sie ist aber endlich, weil sie sich mit weiter steigendem Wechselkurs die eigene Grundlage entzieht. Zudem steht der Euro an wichtigen Widerstandslinien (siehe Börse-Intern vom 24.01.2018). Mit einer auslaufenden Aufwärtsbewegung beim EUR/USD könnte auch die relative Schwäche des DAX gegenüber den US-Indizes enden. Ich würde also Gewinne bei Euro-Long-Trades langsam mitnehmen oder per Stop-Loss absichern und weiterhin Euro-Aktien gegenüber US-Aktien bevorzugen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
www.stockstreet.de
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