Beim heutigen Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) gab es eine kleine Überraschung. Zwar wurden die Leitzinsen erwartungsgemäß unverändert belassen, doch durch eine Änderung der „Forward Guidance“ hat die EZB den Einstieg in den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik eingeleitet.
So wurde im aktuellen Begleitkommentar zum Zinsentscheid der Satz gestrichen, wonach das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten im Hinblick auf Umfang und/oder Dauer ausgeweitet werden kann, wenn sich der Ausblick eintrübt oder „die Finanzierungsbedingungen nicht mehr mit einem weiteren Fortschritt hin zu einer nachhaltigen Korrektur der Inflationsentwicklung im Einklang stehen“. (Eingeführt wurde dieser Satz übrigens, als die Anleihenkäufe 2016 von 80 auf 60 Mrd. Euro verringert wurden.)
Entscheidung kommt zu einem überraschenden Zeitpunkt
Diese Entscheidung wurde bereits zu den vorangegangenen Zinsentscheidungen erwartet (siehe auch „EZB-Zinsentscheid: Keine Änderung der Forward Guidance“). Und sie kommt insofern nun überraschend, als dass sie genau zu einem Zeitpunkt erfolgt, an dem die Inflation in der Eurozone im Februar zum dritten Mal in Folge gesunken war - wie die folgende Grafik aus der Börse-Intern vom 28.02.2018 zeigt.
Die Inflation steht damit aktuell mit nur noch 1,2 % so tief wie zuletzt im Dezember 2016. Doch ich hatte Ende Februar dazu bereits geschrieben, dass die Inflationsraten aufgrund von Basiseffekten in den kommenden Monaten wieder zulegen sollten. Und das scheinen auch EZB-Chef Mario Draghi und seine Kollegen so zu sehen.
Denn einerseits fiel die Entscheidung im EZB-Rat einstimmig und andererseits geht die EZB für das laufende Jahr weiterhin von einer Inflationsrate von 1,4 % aus. Lediglich für 2019 wurde die Inflationserwartung leicht gesenkt (+1,4 %, bisher: +1,5 %), für 2020 jedoch ebenfalls gleich belassen (+1,7 %). Die Wachstumserwartungen wurden dagegen für 2018 leicht angehoben (+2,4 %, bisher: +2,3 %).
EZB behält Hintertür offen
Vielleicht wollte die EZB mit der Änderung der „Forward Guidance“ aber auch nur die Regierungsbildung in Deutschland und die Wahlen in Italien abwarten. In jedem Fall steht nun fest: Die Anleihenkäufe in Höhe von aktuell noch 30 Mrd. Euro werden nicht mehr ausgeweitet und höchstwahrscheinlich Ende September 2018 enden.
Eine Hintertür hat sich die EZB allerdings noch offen gehalten. Denn der Passus, wonach „der Nettoerwerb von Vermögenswerten im derzeitigen Umfang von monatlich 30 Mrd € bis Ende September 2018 oder erforderlichenfalls darüber hinaus erfolgen soll und in jedem Fall so lange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht“, wurde beibehalten.
Während eine Erhöhung der monatlichen Ankaufsumme also ausgeschlossen wurde, bleibt eine Verlängerung des Programms zumindest möglich. - Die EZB geht dadurch weiter sehr umsichtig und in Trippelschritten vor, um die Märkte nicht durcheinander zu bringen bzw. zu verunsichern.
Marktreaktionen fallen erwartungsgemäß aus
Die Anleihenmärkte reagierten dennoch sofort auf die Änderung im Wortlaut - die Kurse gaben nach, die Zinsen zogen an. Allerdings sind die Marktbewegungen relativ gering, weil die Änderung der Forward Guidance längst erwartet wurde. Das zeigt sich auch an den geringen Wechselkursbewegungen des Euro. Auf längere Sicht sollten sich die Anleihenmärkte mit der aktuellen EZB-Maßnahme aber weiter belastet zeigen. Den Bund Future sehe ich umso mehr zukünftig in einem (flachen) Abwärtstrend, sobald die aktuelle Seitwärtsrange nach unten verlassen wird (siehe auch "Bund-Future: Aktives Short-Trading mit gutem Timing ist gefragt").
Für DAX & Co. ist die heutige Neuigkeit eher nebensächlich. Wobei sie zu meiner Erwartung passt, dass die abnehmende Liquiditätsflut immer stärker als Kurstreiber der Aktienmärkte wegfällt und sich die Aktienmärkte daher belastet zeigen werden - die große Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau nimmt somit auch aus fundamentaler Sicht weiter Form an.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus
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