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Topformation, Seitwärtsbewegung oder Rally – was wird es?
Ausgabe vom 29.04.2019
Topformation, Seitwärtsbewegung oder Rally – was wird es?
von Jochen Steffens
Die US-Indizes Dow Jones und S&P500 stehen an ihren Allzeithochs. Nun gilt’s: Entwickelt sich eine längere Seitwärtsbewegung, endet gar die Rally, oder wird sie fortgesetzt. Diese Entscheidung wird allerdings nicht in den kommenden Tagen fallen.
Einfach wäre es, wenn eine klar erkennbare, charttechnisch bekannte Topformation, wie zum Beispiel eine Schulter-Kopf-Schulter-Formation oder ein Diamant entsteht. Denn hieraus ergeben sich hohe Eintrittswahrscheinlichkeit für länger fallende Kurse. Eine derart klare Formation ist im Moment jedoch noch nicht zu erkennen.
Die Schwierigkeit ist, dass auch Seitwärtsbewegungen in Form von Rechtecken als Topformationen auftauchen. In den meisten Fällen gelten Seitwärtsbewegungen jedoch als Fortsetzungsformationen. Das liegt unserer Meinung nach auch daran, dass Börsen langfristig steigen und es daher einfach mehr Rechtecke gibt, denen eine Fortsetzung des Aufwärtstrends folgt. Es kann demnach gut sein, dass Rechtecke für sich genommen eigentlich keinen Hinweis darauf geben, was ihnen folgt.
Der fulminante Crash war eine Seitwärtsbewegung?
Um die Verwirrung noch weiter zu treiben: Seitwärtsbewegungen in großen Trends können breite Spannen umfassen. Diese können sogar so breit sein, dass Anleger die jeweiligen Abwärtsbewegungen innerhalb einer Seitwärtsbewegung als fulminanten Crash wahrnehmen.
Dazu einmal der langfristige Chart des Dow Jones:
In der Seitwärtsbewegung der 1960-1980er Jahre brach der Dow Jones zwischenzeitlich um knapp 50 Prozent ein. Und im Zeitraum von 1998 bis 2012, den man ebenfalls als Seitwärtsbewegung sehen kann, können sich einige Anleger, die zu dieser Zeit bereits am Aktienmarkt aktiv waren, sicher noch gut daran erinnern, dass sie die jeweiligen Abwärtsbewegungen als große Crashs empfunden haben.
Aufwärts, abwärts oder seitwärts ist somit immer auch eine Frage des Betrachtungszeitraumes. Und so erklärt sich eben auch, warum die meisten Anleger sich ständig in einem Wechselbad der Gefühle befinden: Zwischen der Gier in einer Rally und der Angst vor dem Crash. Die immerwährende Frage lautet dementsprechend: Wo stehen wir aktuell? Und diese Frage ist aktuell umso relevanter, weil zwei der wichtigsten US-Indizes nahe der Allzeithochs notieren.
Was tun?
Und damit kommen wir zu der aktuellen Situation:
Wenn wir im Wochenchart des Dow Jones einen mehrjährigen Zeitraum betrachten, erkennen wir schnell, dass wir uns seit Anfang 2018 tendenziell eher in einer Seitwärtsbewegung befinden. Ich habe hier einmal ein mögliches Rechteck eingezeichnet, welches diese Seitwärtsbewegung umfasst.
Doch wie hilft uns das in der aktuellen Situation weiter? Diese Seitwärtsbewegung der vergangenen Monate ist ein Hinweis darauf, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Fortsetzung der Seitwärtsbewegung leicht (!) höher ist, als für einen bullishen Ausbruch. Denn es heißt nicht umsonst, dass man immer auf die Fortsetzung des vorangegangenen Trends setzen sollte (Der Trend ist dein Freund). Allerdings taucht diese Seitwärtsbewegung in einem starken Aufwärtstrend auf, weshalb letztlich eine Fortsetzung des Aufwärtstrends zu erwarten ist – das macht die aktuelle Situation für Anleger und Trader schwierig. Der kleine Wahrscheinlichkeitsvorteil für die Fortsetzung der Seitwärtsbewegung reicht somit leider nicht aus, um darauf zu setzen. Wir müssen dementsprechend auf weitere Hinweise warten:
Der Markt weist den Weg
Einfach(er) wird es, wenn die Kurse nun dynamisch fallen. Zunächst kann es sich dabei um eine ganz normale Konsolidierung unterhalb des Allzeithochs handeln. Doch je weiter sich die Kurse vom oberen Ende der Seitwärtsrange nach unten entfernen, desto wahrscheinlicher wird es, dass die bisherige Seitwärtsbewegung in Form des Rechtecks fortgeführt wird.
Schwieriger wird es dagegen, wenn die Kurse nun nach oben ausbrechen. Denn wie wir bei dem theoretisch angenommenen Rechteck der 2000er Jahre sehen, kann es durchaus auch zu erheblichen „Fehlsignalen“ auf der Ober- wie Unterseite kommen. Solche Fehlsignale gab es auch in der Seitwärtsbewegung der 1960-80er Jahre. Zum Beispiel um den Jahreswechsel 1973, als sich die Kurse mehrere Monate über der damals relevanten 1.000er Marke aufhielten (siehe erster Chart oben). Aber auch hier gilt: Je weiter und dynamischer sich die Kurse von den ehemaligen Allzeithochs nach oben entfernen, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass die vorherige Rally nachhaltig fortgesetzt wird.
Schwarz oder Rot
Sie können sich natürlich in der aktuellen Situation auch einfach zu einer Überzeugung hinreißen lassen. Entweder: Es kommt zu einem Crash! Oder eben auch: Die Rally geht weiter! Sie können sich alsdann nur noch mit solchen Nachrichten und Kommentaren beschäftigen, die genau Ihre Überzeugung unterstützen. Doch dann wäre es vielleicht einfacher, in ein Casino zu gehen und zu rufen: Ich weiß, dass jetzt Rot kommt! Und so können Sie dann entweder schnelle 100 Prozent Gewinn oder eben 100 Prozent Verlust machen.
Es ist eben das Folgende, was Börse vom Casino unterscheidet: Sie können sich an der Börse entsprechend der weiteren Kursbewegungen und Signale NACH und NACH positionieren. Damit verringern Sie zwar etwas ihren möglichen Gewinn, aber reduzieren auf der anderen Seite die Wahrscheinlichkeit eines dramatischen Verlustes. Und das ist die wesentlich sinnvollere Vorgehensweise in der aktuellen Situation. Denn eines bleibt sicher: An den Börsen kann sich mit jedem neuen Tag immer alles ändern. Flexibilität bleibt also einer der relevantesten Faktoren, um an den Märkten erfolgreich zu sein – Überzeugungen sind hingegen völlig fehl am Platz.
Ihr
Stockstreet-Team
P.S. Torsten Ewert hat heute Urlaub und schreibt kommenden Montag wieder wie gewohnt für Sie.
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