GM: Die Zeit der „Spielchen“ ist vorbei
von Torsten Ewert
Verehrte Leserinnen und Leser,
neben der Dubai-Krise wurden die Wirtschaftsschlagzeilen der vergangenen Woche von der Automobilindustrie bestimmt: Daimler will die C-Klasse nach Amerika verlagern, Peugeot/Citroën planen eine Kooperation mit Mitsubishi und Chinas Newcomer Geely möchte Volvo von Ford kaufen.
Paukenschlag bei General Motors
Der größte Paukenschlag war aber sicherlich am Dienstag der Rücktritt von GM-Chef Henderson, der nach nur acht Monaten aus dem Amt gedrängt wurde. In einem zweiten Rundumschlag wirbelte Verwaltungsratschef Whitacre am Freitag auch den Rest des Vorstands durcheinander, nachdem er zunächst selbst den Posten des Vorstandschefs übernommen hat.
Überraschend wurde dabei auch wieder die Automanager-Ikone Bob Lutz mit ins Boot geholt, nachdem dieser erst im Februar dieses Jahres vom Henderson-Vorgänger Rick Wagoner in den Ruhestand geschickt worden war.
Was bedeutet dieses Personal-Roulette nun für GM und damit auch für Opel? Offiziell heißt es zwar noch bei GM, dass Whitacre nur übergangsweise auf dem Chefsessel sitze und man sich auf die Suche nach einem neuen Vorstandschef mache.
Der neue Besen
Daran sind aber inzwischen ernsthafte Zweifel angebracht. Nicht zuletzt Whitacre selbst hat noch vor einiger Zeit darüber lamentiert, dass gute externe Kandidaten durch die Vergütungsbeschränkungen der US-Regierung (die zu 60 % an GM beteiligt ist) schwer zu gewinnen sein werden.
Offenbar besteht auch Übereinstimmung im GM-Verwaltungsrat, dass ohnehin nur jemand, der nicht aus der Autoindustrie kommt, eine Chance hätte. Damit schielt man bei GM auf den erfolgreichen Turnaround bei Ford, den der Outsider Alan Mulally (früher Boeing) zustande gebracht hat.
Doch wenn das die Intention von Whitacre ist, dann hat er in sich selbst schon den idealen Kandidaten gefunden: Als ehemaliger Chef des Telefongiganten AT & T hat er von Anfang an damit kokettiert, „keine Ahnung von Autos“ zu haben. Allerdings bestätigten GM-Insider inzwischen, dass sich Whitacre in den fünf Monaten seiner Amtszeit bereits einen ungewöhnlich detaillierten Einblick in das GM-Reich verschafft hat. So hat er immer wieder unangekündigte Werksbesichtigungen unternommen und dabei Arbeiter und Angestellte aller Hierarchiestufen ins Kreuzverhör genommen.
Whitacre ließ beim Rücktritt Hendersons verlauten, dass GM seine Restrukturierung schneller voranbringen müsse. Vermutlich sieht er sich selbst am geeignetsten dafür an und wird nun der sprichwörtliche eiserne Besen sein, der bei GM zu kehren beginnt.
Neue Herausforderungen für Opel
Dafür spricht auch seine öffentliche Einmischung in den Opel-Deal, vor allem aber die Vorstandsneuordnung vom Freitag. Denn ein neuer Vorstandschef, so er denn ernsthaft gesucht wird, würde mit Sicherheit neue Leute an seine Seite beordern. Kein erfahrener Manager ginge daher in so einer Situation das Risiko ein, durch unnötige Rochaden in der Führungsmannschaft Unternehmen, Mitarbeiter, Kunden und Öffentlichkeit zu verunsichern. Alle sind also gut beraten, wenn sie die „Übergangslösung“ Whitacre bestenfalls als „Dauerprovisorium“ ansehen.
Das gilt insbesondere für Opel, die sich gemeinsam mit der Bundesregierung damit auf eine härtere Gangart einstellen können. Opel täte daher gut daran, neben der bisherigen Konfrontationshaltung gegenüber dem Mutterhaus einen Plan B zu erwägen. Denn mit Whitacre an der Spitze ist ein Verkauf von Opel an Magna oder andere völlig illusorisch. Und ob eine Verweigerungshaltung gegen die ungeliebten Führungsfiguren bei GM strategisch weise wäre, ist zweifelhaft.
Denn abseits des Getöses um den neuen GM-Vorstand könnte ein Ereignis auf der anderen Seite der Welt zum Menetekel für Opel werden: Zeitgleich mit der Vorstandsumbildung in Detroit gab der GM-Verantwortliche für die internationalen Geschäfte, Nick Reilly (übrigens inzwischen in Personalunion auch Chef von Opel Europa), bekannt, dass GM und sein chinesischer Partner SAIC eine Zusammenarbeit mit dem Ziel beschlossen haben, für den indischen Markt kleine PKWs und Transporter zu entwickeln. Was zunächst wenig spektakulär klingt (schließlich konkurrieren GM/SAIC dabei zunächst gegen Tatas „Billigauto“ Nano), hat durchaus das Potenzial, GM auch weltweit voran zu bringen.
Der neue Opel-Konkurrent aus Asien?
Schließlich suchen die Amerikaner ja händeringend nach neuen Produkten, die kleiner, spritsparender und zukunftsweisend sind. Und gerade der asiatische Markt ist hierbei interessant, denn noch immer sehen Autostrategen dort einen gigantischen Markt. So lag zum Beispiel der Autoverkauf in China 2009 erstmals über dem bisher unangefochten führenden US-Markt!
Bisher sollte vor allem auch Opel aufgrund seiner Erfahrungen in den unteren Segmenten und mit modernen Antriebstechnologien dabei eine führende Rolle spielen. Nicht zuletzt deshalb hat GM Opel zunächst auch in Aussicht gestellt, mit dem Verbleib unter dem GM-Dach auch den US-Markt und eventuell auch den asiatischen Markt bedienen zu können.
Doch dies gilt nur, wenn Opel dabei auch innerhalb des Konzerns konkurrenzfähig ist. Daran gab es bisher keinen Zweifel, denn auch der größte Opel erscheint gegen die Spritschlucker anderer GM-Marken wie ein Heilsbringer für den US-Autobauer. Mit der Forcierung seines Asien-Engagements entsteht nun erstmals so etwas wie ein Konkurrent für die Rüsselsheimer im GM-Reich.
Whitacre hat mit diesen überraschenden Schachzügen seine Stärken ausgespielt: die Machtposition des Weltkonzerns gegen die Bremser auf allen Seiten. Opel sollte nun seinerseits seine Stärken ausspielen: den vorhandenen Technologievorsprung gegen die Schwestermarken. Am besten klappt das wahrscheinlich, wenn die Europäer ihrerseits für eine Überraschung sorgen – indem sie den von Whitacre gewünschten raschen Wandel des Konzerns nach besten Kräften anführen.
Das wird kein leichter Weg, aber die bisherigen Erfahrungen mit GM zeigen, dass die Alternativen noch schmerzhafter werden könnten.
Mit besten Grüßen
Torsten Ewert