Sie rätseln alle
von Jochen Steffens
Sie rätseln alle! Wirklich alle, die ich kenne, rätseln, was denn da bei Volkswagen los ist. Die wildesten Gerüchte sind im Umlauf: Es gehe um eine Schieflage bei Lehman Brothers, die gerade liquidiert werde. Auch ein oder mehrere große Hedgefonds sollen mit Put-Positionen auf Volkswagen massiv in Schieflage gewesen sein. Banken sollen dazu gezwungen gewesen sein, sich massiv mit Aktien einzudecken, um Optionsvereinbarungen mit Porsche erfüllen zu können. Porsche selbst soll zu diesen Kursen auch noch weiter kaufen, weil sie 50 % erzielen wollen; die dazu erforderlichen Aktien hätte sich Porsche längst über (eben diese) Optionen zu deutlich günstigeren Kursen gesichert etc., etc., etc.
Natürlich sterben in dieser Rally all die Spekulanten, die tapfer immer wieder Puts kaufen um gegen diesen Trend zu setzen, einfach weil sie diesen für irrational, für übertrieben, für absurd halten. Das Problem ist nur, wann ist Börse schon einmal rational, fair bewertet und realistisch?
Die geniale Tradingidee mit Konsequenzen
Noch schlimmer geht es allerdings den Jungs, die vor ein paar Monaten eine nahezu perfekte Tradingidee entwickelt haben: Porsche kaufen und Volkswagen zu gleichen Teilen „verkaufen“ (sprich auf fallende Kurse bei Volkswagen setzten). Damit setzt man im Prinzip, völlig unabhängig vom Marktgeschehen darauf, dass die Schere, die zwischen Porsche und VW aufgegangen ist, sich irgendwann wieder schließen wird.
Dabei ist es egal, ob der Gesamtmarkt steigt, fällt oder sogar zusammenbricht und damit beide Kurse fallen oder steigen, lediglich der Abstand der beiden Kurse zueinander muss kleiner werden. Gerade in diesen unsicheren Zeiten schien das eine verdammt gute Wette zu sein. Schließlich ist Porsche, wenn man den Wert der Volkswagen Aktien, die Porsche hält, hinzurechnet, mittlerweile deutlich mehr wert, als es der aktuelle Kurs der Aktie darstellt. Und dass die Kursentwicklung bei Volkswagen nun so gar nichts mehr mit der fundamentalen Realität des Konzerns zu tun hat, dürfte jedem klar sein.
Nur, seitdem diese Idee aufkam, die gerade von fundamental orientierten institutionellen Anlegern als Geheimtipp beschworen wurde, ist Porsche nur noch gefallen und Volkswagen nur gestiegen. Und genau das ist das einzige Szenario, dass bei diesem Trade weh tut, und dann leider auch noch auf beiden Seiten. Unverständlich, irrational, "Grüße aus Absurdistan", das sind die Kommentare der Analysten dazu.
Derweil steigt Volkswagen trotz (oder gerade wegen) der Finanzmarktkrise unbeirrt weiter und weiter. Auch heute wieder über 11 %, während der Dax über 6 % ins Minus rutscht.
Gap-Close wäre bullish gewesen
Und damit zum Dax: Wie gestern schon erwartet, hat der Dax sein Gap bei 5100 Punkten geschlossen. Hätte er dort gedreht, wäre das sehr bullish gewesen. Stattdessen rutschten die Kurse im weiteren Verlauf immer tiefer in den Keller. Damit ist eine V-Erholung, welche die Kurse bis auf 6200 Punkte treibt, auch charttechnisch sehr unwahrscheinlich geworden (siehe Text gestern). Gleichzeitig wächst die Gefahr, dass wir wieder neue Tiefs sehen. Zurzeit ist damit alles wieder offen.
Ich habe Ihnen einmal die vier idealtypischen Szenarien, die nun denkbar sind, in den Dax-Chart eingezeichnet:
Wie gesagt, Vorsicht ist angebracht. Grundsätzlich ist aber nach den extrem starken Aufwärtsbewegungen auch die heutige Gegenbewegung durchaus noch normal. Sie zeigt aber an, dass der Markt noch nicht bereit ist, die Pille der staatlichen Maßnahmen so ohne weiteres zu schlucken. Zudem wächst die Sorge, dass die USA in eine längere Phase eines wirtschaftlichen Abschwungs geraten könne. Auch die schlechten Zahlen vom Einzelhanden (siehe weiter unten) unterstützten die Befürchtung, dass es zu einem miserablen Weihnachtsgeschäft in den USA kommen werde. Das zusammen brachte die Kurse in den USA unter Druck.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es höchst dynamisch weiter geht (siehe grüne Linie) ist demnach eher gering. Am wahrscheinlichsten ist eine Entwicklung, die sich im Bereich der schwarzen Linie aufhält, also eine längere Phase der Orientierung, seitwärtst mit leichter Aufwärtsbewegung. Eine W-Formation (rote Linien), also ein erneuter Test der Tiefs ist auch nicht auszuschließen.
Sollten die Kurse allerdings nachhaltig unter das letzte Tief fallen (blaue Linie), wird es allerdings noch einmal ernst, sehr ernst...
Viele Grüße
Jochen Steffens
US-Wirtschaftsdaten
von Jochen Steffens
Der Umsatz im Einzelhandel ist im September um 1,2 % zurückgegangen. Analysten haben jedoch nur mit einem Umsatzrückgang um 0,5 bis 0,7 % gerechnet, nach einem Rückgang von 0,4 % zuvor. Das ist der schärfste Einbruch seit 3 Jahren.
Ohne Autoverkäufe ist der Einzelhandelsumsatz in den USA um 0,6 % zurückgegangen. Analysten hatten jedoch nur mit einem Rückgang von 0,0 bis 0,2 % gerechnet, nach einem Minus von 0,9 % zuvor.
Schaut man sich den Chart an, erkennt man, dass seit Mitte des Jahres der Index aus seiner normalen Zyklik fällt. Hier erkennt man demnach deutlich die Auswirkungen der Kreditmarktkrise. Der Einzelhandelsumsatz ist ein wichtiger Indiaktor für die Binnenkonjunktur in den USA und damit für die wirtschaftliche Entwicklung. Dieser Wert belastete heute die Märkte, da es die Befürchtung nährte, dass es zu einem sehr schlechten Weihnachtsgeschäft in den USA kommen werde.
Die Erzeugerpreise sind im September um 0,4 % gesunken, nach einem Rückgang von 0,9 % zuvor. Das lag in den Erwartungen. Allerdings ist die Kernrate (ohne Nahrungsmittel und Energie) um 0,4 % gestiegen. Analysten hatte hier lediglich einen Wert zwischen 0,1 bis 0,2 % prognostiziert.
Die Erzeugerpreise gehen zwar zurück, aber noch kommt die Kernrate nicht hinterher. Allerdings muss man davon ausgehen, dass angesichts der Kreditmarktkrise und der dadurch zu erwartenden wirtschaftlichen Abschwächung die Inflation zunächst kein Thema mehr ist.