Mittwoch, 18. Juni 2008
In dieser Ausgabe:
von Jochen Steffens
Öl ist das Blut der industriellen Welt. Ohne Öl würde die Wirtschaft still stehen. Öl ist die Droge der Moderne. Öl ist Macht.
Wie jede Droge führt auch die Abhängigkeit vom Öl zur Kriminalisierung. In diesem Fall zur Kriminalisierung der Geopolitik. Wahrscheinlich werden erst unsere Enkel in den Geschichtsbüchern erfahren, bei welchen politischen Entscheidungen der letzten 60-100 Jahre, Öl seine unseligen Finger im Spiel hatte und wo es zu noch unseligeren Entscheidungen führte. Meiner bescheidenen Meinung nach, hat Öl die komplette Geopolitik negativ beeinflusst..
Ins weltweite Massenbewusstsein ist die Tragik um das Öl wahrscheinlich erst mit den Kriegen im Irak gedrungen. Doch das ist eigentlich nur die traurige Spitze eines großen unrühmlichen Eisbergs.
Jetzt lesen wir, dass sich die Ölmultis Sorgen um den hohen Ölpreis machen. Warum, mag man denke, sie verdienen sich doch dumm und duselig und wenn bald das Öl ausgeht, haben sie so noch gute Gewinne gemacht. Der Grund sind die Erfahrungen aus den Ölkrisen in den 70ern. Damals sank im Anschluss der weltweite Verbrauch. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Welt zurzeit sowieso immer mehr über die Endlichkeit ihrer Ressourcen bewusst wird, wird wahrscheinlich zurecht befürchtet, dass die Bemühungen um ein Ende der Abhängigkeit vom Öl immer drastischer betrieben werden.
Ein paar Schlagzeilen dazu:
Neuseeland will bis 2015 mindestens 90 Prozent seiner Energien aus erneuerbaren Ressourcen beziehen.
Schweden will bis 2020 unabhängig vom Öl und anderen fossilen Rohstoffen werden.
Im Emirat Dubai soll ein außergewöhnlicher Energie- und Umweltpark entstehen. Hier stehen Wassereinsparung, Energie- und Ressourcenverbrauch im Vordergrund, neben erneuerbaren Energien und einer nachhaltigeren Abfallwirtschaft. Neben Privat- und Gewerbeimmobilien, Hotels, Messe- und Tagungsgebäuden, sowie Freizeiteinrichtungen entstehen verschiedene Bildungseinrichtungen und Forschungsinstitute mit einem Schwerpunkt auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien.
Wenn man in Dubai schon an solchen Technologien arbeitet, sollte man in Europa sehr schnell reagieren. Und das passiert auch: So ist heute zu lesen, dass die CDU plant, sich der Klima- und Umweltpolitik programmatisch zu verpflichten. Es geht um eine Politik der Nachhaltigkeit. Auch das passt ins Bild.
In den USA, in denen öffentliche Verkehrsmittel alles andere als beliebt sind, die Menschen lieber Staus und teure Parkplätze in der Innenstadt (New York) in Kauf nehmen, um mit ihren Geländewagen zur Arbeit fahren zu können, ist seit einiger Zeit eine interessante Entwicklung zu beobachten: Die Verkehrsbetriebe in den USA verzeichnen ungewöhnliche Steigerungsraten. Straßenbahnen freuen sich über 10 % Zuwächse, mit Zügen fahren bis zu 6% mehr Menschen – wenn der Ölpreis noch weiter steigt, werden diese Raten deutlich zunehmen - das ergaben Umfragen. Auf der anderen Seite steigt in dem Land der breitesten Straßen die Nachfrage nach spritsparenden Kleinwagen.
Mittlerweile will VW auch wieder das 1 Liter Auto bauen.
etc...
Ein Selbstläufer
Das Problem ist, wenn solche Entwicklungen erst einmal angeschoben werden, können diese zu einem Selbstläufer werden. Nach den Ölkrisen war „Energiesparen“ in aller Munde und selbst als der Ölpreis wieder sank, verschwand diese Erfahrung nicht, sondern setzte sich immer weiter fort. Ich erinnere mich noch gut daran, wie bei uns eine andere Heizungsanlage eingebaut wurde, und ich mit meinem Vater alle Rohre und später das Dach isoliert habe. etc.
Alternativen sind gefragt
Heute geht es nicht mehr nur ums Sparen, sondern gefragt sind handfeste Alternativen. Die Gefahr aus Sicht der Ölproduzenten ist, dass immer mehr Geld in die Entwicklung solcher Alternativen fließen wird, je teurer der Ölpreis wird. Hier könnten sich nun ebenfalls Selbstläufer entwickeln. Denn selbst wenn der Ölpreis nun wieder sinken sollte, werden die Menschen die Erfahrung plötzlich steigender Ölpreise gemacht haben.
Und niemand weiß, ob und wann es vielleicht zu entscheidenden Entwicklungen, Erfindungen oder ähnlichem kommen wird.
Tatsächlich muss es also das Bestreben der Ölförderstaaten sein, den Ölpreis zu senken, zumindest im Hinblick auf eine langfristige Entwicklung.
Denn was wäre, wenn der Ölverbrauch dramatisch zurückgehen würde. Was wäre, wenn nicht nur Schweden und Neuseeland einen Ölausstieg planen, sondern auch Deutschland und vielleicht ganz Europa?
Die Macht des Öls wäre gebrochen. Der Ölpreis würde ins Bodenlose rauschen. Einige Länder würden in die Bedeutungslosigkeit abrutschen.
Zu weit gedacht?
Sicher, ich beschreibe hier im Moment noch eine Utopie. Wenn auch die Nachfrage aus den Industrieländern zurückgehen sollte, so bleiben immer noch China und Indien als Ölverbraucher.
Bei mir klingeln als Antizykliker nur immer die Alarmglocken, wenn irgendein Thema an den Börsen derart beherrschend wird. In solchen Momenten lehne ich mich zurück und überlege, wodurch das Ende eines Trends eingeleitet werden kann. Dann wage ich Thesen zu denken, die man sonst nirgendwo hört. Und genauso sollten Sie den heutigen Text interpretieren.
Es gibt bereits Technologien, die zumindest theoretisch in der Lage wären, die Energieprobleme dieser Erde zu lösen. Andere werden in den nächsten 20-50 Jahren entwickelt werden. Alle Welt redet zurzeit von Ölpeak, damit ist der Förderhöhepunkt gemeint. Normalerweise der Förderhöhepunkt, der mit der Endlichkeit der Ölreserven zu tun hat. Vielleicht erleben wir aber auch in den nächsten 5 oder 15 Jahren einen Förderhöhepunkt, weil der Ölverbrauch dramatisch einbricht.
Ob also eine Investition in Öl langfristig interessant ist, darf zumindest in Frage gestellt werden. Es wird davon abhängen, ob Alternativen entwickelt werden, die realen Einfluss auf die Energiewirtschaft haben können.
Neue Technologie als Motor?
Wie mein Kollege Torsten Ewert bereits am Montag hier schrieb: Es kann gut sein, dass eine neue Technologie Auslöser eines neuen Booms werden kann. Vielleicht ist es wirklich eine Technologie die uns von der Droge Öl befreit. Es wäre wünschenswert.
Viele Grüße
Jochen Steffens