Die Lage spitzt sich zu
Am Freitag hatte ich die Dax-Chartanalyse vorgestellt, heute geht es um den Nasdaq100.
Immer noch sind im Nasdaq100 seit März viele große Gaps (Kurslücken, hier als grüne Rechtecke) offen. Bekanntermaßen pflegen die Amis über 90% aller Gaps irgendwann zu schließen. Nicht nur aus diesem Grund neigen die Kurse dazu, wenn sie einmal in die Nähe eines Gaps geraten, von diesem nahezu magisch angezogen zu werden.
Eingezäunte Bären wagen den Ausbruch
Noch gibt es allerdings eine wichtige Linie (hier rot eingezeichnet), welche die Kurse von diesem Gap fernhält. Man kann sich das tatsächlich wie einen Zaun vorstellen, der die große Herde williger Bären davon abhält, auszubrechen. Den ersten Anlauf an diesen Zaun haben die Bären verloren. Doch wie jeder Zaun, der unter großer Belastung steht, wird auch dieser mit jedem weiteren Versuch etwas schwächer. Kommt es hier zu einem nachhaltigen Bruch, werden wir mindestens das Schließen des obersten Gaps sehen (bis 1850 Punkte).
Normale Konsolidierung in einem Aufwärtstrend?
Das wäre dann auch ziemlich genau eine 50 % Konsolidierung, vom Hoch aus gesehen. Bis runter an diese Marke ist der aktuelle Kursrutsch demnach noch als normale bullishe Konsolidierung in einem Aufwärtstrend einzustufen.
Alles unter 1850 Punkte sollte uns jedoch aufhorchen lassen, denn das wäre ein erstes Warnsignal dafür, dass die Kraft der Bullen nicht ausreicht, einen soliden Aufwärtstrend auszubilden.
Doch nicht nur hier spitzt sich die Lage zu:
Israel verschärft Druck gegen den Iran
Israel werde eine Minute vor der Vollendung des mutmaßlichen iranischen Atomwaffenprogramms, dieses mit militärischen Mitteln stoppen; das seien keine leeren Drohungen, sagte der frühere Luftwaffengeneral Isaac Ben Israel, ein Mitglied der regierenden Kadima-Partei. Isaac Ben Israel geht davon aus, dass dafür noch mindestens ein Jahr Zeit bleibe. Der richtige Zeitpunkt sei dabei eine kritische Frage, man müsse einige Monate vor der Vollendung zuschlagen.
Angriff in den nächsten neun Monaten?
Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch, wir können damit rechnen, dass in den nächsten neun Monaten ein Angriff auf den Iran stattfinden wird, sofern nicht andere diplomatische Lösungen gefunden werden oder sich diese Aussagen lediglich als leere Drohungen herausstellen.
Die Frage ist natürlich, welche Folgen so ein Angriff hätte. Wird er ähnlich verpuffen, wie der Angriff im vergangenen September auf eine vermeintliche Atomanlage in Syrien? Auch nicht unwahrscheinlich ist, dass die iranische Regierung mit entsprechenden Gegenmaßnahmen reagiert. In diesem Fall könnte die ganze Region in einen unaufhaltsamen kriegstreibenden Strudel mit ungewissem Ausgang geraten. Und eben solche Unsicherheiten mag die Börse überhaupt nicht.
Viel Zeit bleibt nicht mehr
Mir ist noch nicht klar, inwieweit sich dieses Angriffsszenario wirklich auf den Ölpreis und die Börsenkurse auswirken wird. Offiziell liest man nur wenig über einen Zusammenhang, aber das heißt natürlich nichts. Man muss auf jeden Fall festhalten, dass in diesem Atomstreit nicht mehr viel Zeit für eine Entscheidung bleiben wird. Hoffen wir, dass eine diplomatische Lösung gefunden wird.
Ich bin gespannt ob, und wenn ja wann dieses Thema von den Medien im Zusammenhang mit fallenden Börsen gespielt wird.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens
Märkte am Montag: Warum die Mega-Rohstoff-Hausse ausfällt
„Rohstoff-Bullen“ beschwören seit einigen Jahren eine Mega-Hausse bei Rohstoffen, die noch weitere 10 oder mehr Jahre anhalten soll. Ich finde, eine Verzehnfachung z.B. beim Ölpreis seit 1999 ist schon eine ganz ordentliche Rallye, das muss nicht noch 10 Jahre so weiter gehen ...
„Theoretisch“ gibt es keine Mega-Hausse ...
Zunächst ein kleiner Exkurs in die Volkswirtschaftslehre. Danach wird der Verbraucher bei steigenden Preisen weniger von einem Produkt kaufen bzw. auf alternative Produkte ausweichen. Wird also z.B. argentinisches Rindfleisch zu teuer (wegen steigender Transportkosten), wird davon weniger gekauft. Eventuell steigt dafür der Verbrauch von deutschem Rindfleisch oder die Verbraucher weichen auf Hühnerfleisch aus.
Das funktioniert natürlich nur, wenn man so ohne Weiteres Alternativen hat. Bei Öl und anderen Rohstoffen ist das zunächst nicht der Fall. Wir können kurzfristig nur den Verbrauch einschränken, also etwa weniger Auto fahren oder kaum noch heizen.
Langfristig aber besteht durchaus die Möglichkeit, die Abhängigkeit vom Öl zu verringern. Der ökonomische Druck in Form steigender Preise wirkt unfehlbar in Richtung einer „alternativen“ Energie. Damit wird einer Mega-Hausse faktisch die Grundlage entzogen.
... aber bis es so weit ist ...
Steigende Rohstoffpreise werden die Wirtschaft und die Verbraucher zwingen, den Verbrauch nachhaltig einzuschränken und ernsthaft an Ersatzlösungen zu arbeiten. Damit keine Zweifel aufkommen: das kann eine bittere Zeit werden – keine Frage. Was sich so leicht dahin schreibt, kann einschneidende Veränderungen mit sich bringen:
Unternehmen, welche die steigenden Kosten nicht mehr auffangen oder weitergeben können und Pleite gehen. Verbraucher, die aufgrund steigender Energiekosten und Arbeitsplatzverlust ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können und im Kalten und Dunklen sitzen – falls sie überhaupt noch ein Dach über dem Kopf haben.
Düstere Szenarien oder lichte Zukunft
Es geht also darum, ob die Menschheit den technologischen Wettlauf gegen das Versiegen der Ölquellen gewinnt. Im düstersten Szenario gehen wir schnurstracks auf den Untergang zu, im besten Fall ist unsere Energieversorgung auf „immer“ gesichert.
Egal was passiert, in jedem Fall wird der Ölpreis nicht unbegrenzt steigen. Versinkt alles im Chaos, wird es kaum noch Unternehmen/Produzenten geben, die Öl brauchen. Schließlich haben diese ja auch kaum noch Abnehmer für ihre Produkte.
Decken wir dagegen unseren Energiehunger zukünftig z.B. nur aus Sonnenenergie, wird Öl in der Wirtschaft auch nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. In beiden Fällen wird der Preis mangels Nachfrage also einbrechen.
Der Weg des größten Schmerzes
Faktisch gilt das für alle Rohstoffe in gleicher Weise. In jedem Fall wird irgendwann ein Punkt erreicht, an dem Ersatzlösungen gesucht und gefunden werden. Leider ist weder der Zeitpunkt noch das maximale Preislevel im Voraus bestimmbar. Der Ölpreis kann also tatsächlich noch kurzfristig 150 oder 200 Dollar erreichen – schließlich stehen wir am Beginn der Reisezeit ...
Einziger Anhaltspunkt ist die Auswirkung solcher Preissteigerungen auf die Wirtschaft (die Verbraucher haben hier leider nur eine eingeschränkte Macht – oder können Sie sich Demonstrationen gegen zu hohe Benzinpreise vorstellen, die irgendeine Wirkung auf den Ölpreis haben ?).
Erst wenn die Wirtschaft deutlich Anzeichen eines „Stotterns“ zeigt, gehen wir auf eine (erste) kräftige Konsolidierung zu. Das ist der Weg des größten Schmerzes, der Weg durch das Tal der Tränen, der wirkliche Änderungen bewirkt (Beweis: Die tolle Leistung der deutschen Elf gegen Portugal nach den miesen Spielen gegen Kroatien und Österreich). Es fragt sich also, ob wir eventuell schon so weit sind.
Immer mehr Ungereimtheiten in der Datenlage
Seit Monaten weisen die verschiedenen volkswirtschaftlichen Indikatoren in die Irre. Die USA sollten in eine Rezession schlittern, sind dem aber irgendwie entkommen. Inzwischen zeigen die Zahlen für Europa, dass einzig Deutschland noch die Fahne des Aufschwungs hoch hält.
Auch China hat offensichtlich Probleme. Trotzdem sind aber die Rohstoffexporteure von Russland über Brasilien bis Australien immer noch guten Mutes und erhöhen ihren Ausstoß unverdrossen.
Es ergibt sich also kein klares Bild. Inzwischen zweifeln sogar gestandene Volkswirte die aktuelle Gültigkeit einzelner Indikatoren an. Die Deka bescheinigt z.B. den ZEW-Konjunkturerwartungen, dass sie „sich schon seit geraumer Zeit von der tatsächlichen konjunkturellen Entwicklung entkoppelt [haben].“ (Quelle: http://www.dekabank.de/globaldownload/de/economics/vowi_aktuell_de/VA_08-06-17_DE_ZEW.pdf) . Auch den Angaben zur Aktivität von Spekulanten im Ölmarkt attestieren die Experten inzwischen nur „eine äußerst eingeschränkte Aussagekraft“ (Quelle: http://www.dekabank.de/globaldownload/de/economics/vowi_aktuell_rohstoffe_oel/VA_08-06-18_Oelmarktbericht.pdf).
Kommt das „dicke Ende“ noch?
Diese widersprüchliche Datenlage war für mich lange ein Zeichen für eine Wirtschaft, die stärker ist als gedacht. Eine Zeitlang spielten auch die steigenden Kurse z.B. im Nasdaq100 dieser Sichtweise in die Hände. Auch das z.B. Warren Buffett, ein Antizykliker par excellance, seit einigen Monaten sehr intensiv und offensiv auf Firmensuche in Europa ist, sprach für einen Boden.
Die erstaunliche Schwäche der Märkte in den letzten Wochen zusammen mit einem immer weiter steigenden Ölpreis legt aber nun einen anderen Schluss nahe. Nämlich dass wir uns nun einem Punkt nähern, an dem die Wirtschaft den hohen Ölpreis nicht mehr ohne Weiteres „schluckt“. Sondern richtig ins Stottern gerät und damit auch die Märkte in neue Tiefen zieht.
Auch wenn es vielleicht gar nicht so schlimm ist: wir nähern uns den schwachen Börsenmonaten. Wenn also nicht einmal das bevorstehende Quartalsende für Bewegung nach oben sorgt, müssen wir doch sehr nachdenklich werden.
Wie weit fällt der Ölpreis, wenn die Aktienmärkte einbrechen?
Sollte also ein neuer Abwärtsschub die Aktienmärkte zu neuen Tiefs führen, wird uns der Ölpreis zeigen, wie schlimm die Lage tatsächlich ist. Bleibt er „oben“ wird er auf mittlere Sicht zu einer wirklichen Belastung, die nicht einfach zu kompensieren sein wird. Dann müssen wir die Bullen-Theorien für 2009-2011 ernsthaft überdenken. Dann sind wir dem oben skizzierten Untergangsszenario näher als vermutet.
Fällt er dagegen nachhaltig, dann ist es vielleicht tatsächlich eine größtenteils spekulationsbetriebene Blase und die bisherigen Investitionen in den Aufbau erneuerbarer Energien haben uns bereits auf den richtigen Weg gebracht.
Es wird also börsentechnisch eine spannende Sommerzeit. Das Schlimmste was passieren kann, ist tatsächlich, dass diese nervige Seitwärtsbewegung noch weiter geht...
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert