EZB hat keine Wahl
von Jochen Steffens
Die Stimmung in Deutschland verschlechtert sich weiter. So ist nun zu lesen, dass sogar der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter damit rechnet, dass die deutsche Wirtschaft bereits im Herbst dieses Jahres in eine Rezession abgleiten wird. Es gäbe kein Mittel gegen diesen Abschwung, er sei eine notwendige Korrektur.
Hierbei geht es wohl auch um die derzeitigen Lohnabschlüsse. Die Bürger verstünden nicht, in welcher Lage wir uns befinden, so Walter.
Gemeint ist die Zwickmühle aus steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreisen und steigenden Löhnen. Beides treibt die Inflation an. Gerade gegen eine durch Lohnerhöhungen angetriebene Inflation helfen nur Zinserhöhungen. Zinserhöhungen verlangsamen das Wirtschaftswachstum, was im weiteren Verlauf zur Folge hätte, dass die Löhne nicht weiter steigen können.
Kreditmarktkrise erzwingt niedrige Zinsen
Nur, die Kreditmarktkrise hat natürlich auch Auswirkungen auf die europäische Bankenlandschaft. Und in so einer Situation sind steigende Zinsen wahres Gift. Die EZB hat also ein riesiges Problem: Auf der einen Seite sieht sie die Lohnspirale anspringen und müsste darauf mit steigenden Zinsen reagieren. Auf der anderen Seite sieht sie die Kreditmarktkrise, den zu starken Euro (der den Export belastet) und auch noch die steigenden Energie- und Rohstoffpreise, die sich ebenfalls dämpfend auf das Wachstum auswirken.
Was ist also zu tun?
Manches Mal ist weniger mehr. Die EZB muss die Zinsen zurzeit konstant lassen, wobei überlegt werden muss, ob ein Leitzins von 4,25 % nicht sogar zu hoch ist, um die Auswirkungen der Kreditmarktkrise zu bekämpfen. Eine weitere Zinserhöhung würde auf jeden Fall den Dollar wieder unter Druck bringen. Das hätte nicht nur zur Folge, dass amerikanische Produkte einen weiteren Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen hätten, es würde sich wahrscheinlich auch wieder auf die Rohstoffpreise preistreibend auswirken.
Die USA im Blick
So seltsam es sich anhört, die EZB muss zurzeit bei ihren Überlegungen im Prinzip auch immer die amerikanische Wirtschaft im Blick haben. Zwar hat das US-Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren im Zuge der Globalisierung sicherlich etwas an Bedeutung für die Weltwirtschaft verloren. Doch nach wie vor würde eine Rezession in den USA mit einer zeitlichen Verzögerung auch in Europa massive Wachstumseinbußen zur Folge haben.
Da jedoch in den USA die Kreditmarktkrise bei weitem existenzieller wütet als in Europa, kann auch die Fed die Zinsen zurzeit noch nicht weiter anheben. Ihr ist damit die entscheidende Waffe zur Inflationsbekämpfung aus den Händen genommen worden. So kann sie demnach nur hoffen, dass der Dollar stabil bleibt (einige Analysten wollen sogar schon Interventionen im Dollar erkennen) und dass somit die Öl- und Rohstoffpreise weiter einbrechen. Nur das wird der Fed die notwendige Luft verschaffen, die Kreditmarktkrise zu bereinigen und das Wirtschaftswachstum wieder anzutreiben.
EZB und USA
Sollte die EZB die Zinsen also anheben, würde sie damit den USA quasi den Dolch von hinten durch die Brust ins Auge stoßen.
Ich weiß natürlich nicht, inwieweit solche Überlegungen an dem Entscheidungsprozess der EZB beteiligt sind. Aber wenn schon der IWF die EZB vor weiteren Zinserhöhungen warnt, scheint es zumindest ernst zu sein. Eigentlich ist aber die EZB natürlich weder den USA, und im Unterschied zur Fed auch nicht dem wirtschaftlichen Wachstum der eigenen Region, sondern ausschließlich der Bekämpfung der Inflation verpflichtet. Demzufolge müsste sie eigentlich handeln und die Zinsen weiter anheben. Ich glaube jedoch, zurzeit ist es ganz sinnvoll, sich nicht einfach nur stur an die Paragraphen zu halten. Daran sollte man sich hin und wieder ein Beispiel nehmen...
Wie erwartet, hat die EZB heute bekannt gegeben, die Leitzinsen unverändert zu belassen.
Ausbruch, oder nicht?
Und damit zum Dax-Chart. Hier wird es jetzt spannend:
Der Dax hier im Stundenchart ist gestern und heute zwischenzeitlich aus seiner Seitwärtsbewegung ausgebrochen. Es fragt sich jetzt, ob dieser Ausbruch auch nachhaltig wird. Denn erstens haben wir August, und zweitens sind wir in einer Seitwärtsbewegung. Beide Punkte sind prädestiniert für Fehlsignale und Fehlausbrüche.
Gescheitert ist der Dax an einer Art Trendlinie, die ich Ihnen hier rot eingezeichnet habe. Die Relevanz ist nicht sonderlich hoch, aber gegeben. Es wird demnach spannend! Noch ist alles offen. Seitwärtsbewegungen sind aber meistens zäh und zudem höchst verzwickt – ansonsten wären sie ein Paradies für Trader. Oben verkaufen und unten kaufen. Aber wer hat jetzt nach diesem Ausbruch den Mut auf fallende Kurse zu setzen? Ja, ja... Miss Börse macht es uns armen Anlegern nicht leicht.
Viele Grüße
Jochen Steffens
US-Wirtschaftsdaten
von Jochen Steffens
Die Zahl der Erstanträge ist in den USA auf 455.000 gestiegen. Analysten hatten mit 413.000 bis 420.000 neue Anträgen, nach zuvor 448.000 Anträgen gerechnet.
Mittlerweile steigt damit auch schon der Vierwochendurchschnitt über 400.000! So langsam könnte die USA wirklich ein Problem kriegen. Das sind keine guten Zahlen, denn mittlerweile ist auch der Vierwochendurchschnitt auf einen Wert über 400.000 angestiegen. Also auch der Arbeitsmarkt belegt, dass die Fed die Zinsen zurzeit nicht erhöhen kann! Offenbar sind die Probleme nicht unwesentlich.