Warum John McCain der „bessere“ Präsident wäre
von Torsten Ewert
Verehrte Leserinnen und Leser,
noch eine Woche, dann ist es soweit – dann wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Nein, wir wollen jetzt nicht das übliche Orakeln beginnen, welche Branchen eventuell wie von der Wahl des einen oder anderen Kandidaten profitieren würden.
Aber es geht schon darum, was die Märkte „aus dieser Wahl“ machen könnten. Da momentan die Stimmung wirklich grottenschlecht ist, frage ich mich, ob die US-Präsidentenwahl hier einen Umschwung bringen kann. Mein – zugegeben etwas provokantes – Ergebnis haben Sie schon in der Überschrift gelesen.
Hier nun, wie ich dazu gekommen bin:
Die Wahlsaison
Auch hier im Steffens-Daily haben Sie bereits immer mal wieder etwas über den Einfluss der US-Wahljahre auf die Börse gelesen. Im Allgemeinen neigen die Börsen dazu, in den Monaten vor der Wahl zu steigen und das auch noch bis weit ins „Nachwahljahr“ – für die aktuelle Wahl ist das also 2009 – durchzuhalten.
Dazu habe ich Ihnen den folgenden Chart generiert:
Hierbei ist das Wahljahr (2008) mit der roten Zeitleiste markiert, das „Nachwahljahr“ (2009) mit der blauen. Sie sehen, dass es durchaus nicht ungewöhnlich ist, dass im Oktober des Wahljahres ein Tief auftritt, aber in diesem Jahr sind wir natürlich durch die Finanzkrise und den Crash in ganz anderen Regionen.
Ansonsten würden wir vom Oktobertief (roter Kreis) bis zum Hoch im nächsten Sommer ca. 12 % Kursanstieg erwarten können.
Mythos „Parteienfaktor“
Ein anderer, weit verbreiteter Glaube ist, dass die Börsen eher den Republikanern zugeneigt sind und die Demokraten ablehnen. Dazu habe ich den Zeitraum aus dem obigen Chart in den tatsächlichen Kursverlauf des Dow Jones projiziert, d.h. von Anfang/Mitte Oktober des Wahljahres bis Ende Juli des Folgejahres.
Danach lässt sich diese „Theorie“ nicht so ganz nachvollziehen, jedenfalls nicht für den Zeitraum seit Ende der 1960er Jahre. Es sieht eher so aus, als ließen sich die Börsen von der Politik nicht sonderlich beeinflussen.
In der großen Seitwärtsbewegung von 1965 bis 1982 „erwischte“ gerade Ronald Reagan nach seiner ersten Wahl den letzten Schub einer Aufwärtswelle, bevor es wieder in den Keller ging. Mag sein, dass die später als „Reagonomics“ plakatierte Politik Reagans die Börsen im weiteren Verlauf beflügelte, aber dann eher wegen ihrer langfristigen Auswirkungen als wegen des – kurzfristigen – Wahleffektes.
Dieser Effekt (und andere Einflüsse) waren dann aber immerhin so groß, dass auch die vier folgenden Wahlen nach obigem Schema „im Plus“ endeten. Davon profitierte neben Reagan (2. Amtszeit) sein Nachfolger und Mit-Republikaner George Bush senior und zweimal der Demokrat Bill Clinton.
Erst George Bush junior ließen die Börsen wieder im Regen stehen (und das gleich zweimal), aber das lag sicher nicht allein an ihm... Es scheint eher so, als setzten die Börsen ihren jeweiligen Trend fort, statt sich um das politische Drumherum zu scheren. Insofern kann eher der alte Spruch „Politische Börsen haben kurze Beine“ als bestätigt angesehen werden.
Der Reagan-Thatcher-Effekt vs. die „Obamania“
Und dennoch – die Politik kann einen kräftigen Einfluss auf die Märkte erlangen. Was die „Reagonomics“ für die USA waren, war der „Thatcherismus“ für Großbritannien (Margaret Thatcher kam 1979 an die Macht).
Obwohl kaum anzunehmen ist, dass sich beide abgesprochen haben, verfolgten sie doch eine ähnliche Politik in wirtschaftlichen Belangen. Offenbar waren Staat und Gesellschaft „reif“ dafür, und beide fanden die richtigen Mittel zur richtigen Zeit.
Da wär es doch eigentlich auch genau das Richtige, wenn so eine charismatische Lichtgestalt wie Barack Obama ans Ruder käme! Landauf, landab hören wir (hauptsächlich aus intellektuellen Kreisen) wie sehr sich die Leute Obama als Präsidenten wünschen.
Zwar ist sein Wirtschaftsprogramm nicht so pointiert, dass wir sofort Wunder erwarten dürften. Auch hat natürlich die Finanzkrise in jüngster Zeit etliche Aspekte des Ursprungskonzeptes überlagert. Aber was mich am meisten stört, ist, dass die Börse überhaupt keine Anzeichen zeigt, dem aktuellen Crash ein Ende zu setzen und die „Obama-Karte“ zu spielen.
Was weiß die Börse, dass wir nicht wissen?
Denn das müsste sie, wenn wir uns folgende Grafik anschauen:
Das sind die Umfrageergebnisse aus den USA für Obama bzw. McCain. Danach hat Obama momentan, das heißt gut eine Woche vor der Wahl, nicht nur absolut die höchste Zustimmung von über 50 % unter allen Befragten, sondern auch sein Abstand zu McCain ist mit fast 8 Punkten so groß wie kaum vorher.
Danach kann eigentlich nichts mehr schiefgehen mit der Wahl für Obama. Und man kann fragen, wen man will: Obama wird mit einem regelrechten „Ruck“ in Verbindung gebracht – jenem Ruck, den schon Roman Herzog für Deutschland (leider bislang eher vergeblich) forderte.
Aber wenn es einen solchen „Ruck“ geben sollte, wenn die Begeisterung und Zustimmung wirklich so groß ist, wie uns die Medien und Umfragen es weis machen wollen, dann kann doch davon die Wirtschaft nicht unberührt bleiben!
Amerika – das Land des unbegrenzten Pathos!
Ich gebe zu, mitunter wirkt auf uns Deutsche das Pathos und die Begeisterung die Amerikaner häufig ausströmen, wenn es um ihr Land und ihre Werte geht, etwas befremdlich. Aber unstrittig ist, dass die USA damit schon manches Tal zügig durchschritten haben, in dem andere immer noch stecken (z.B. Japan). Und wer, wenn nicht Barack Obama könnte als Präsident eine solche Leidenschaft wieder neu entfachen? Letztlich ist es das, was vor allem die Amerikaner selbst erwarten. Sich (wieder einmal) selbst – und ihre Wirtschaft – am Schopf aus dem Sumpf ziehen.
Und das, was alle anderen so klar und hell vor ihren Augen sehen, soll die Börse nicht erkennen und weiter in Schwermut baden? Nein, liebe Freunde, das kann ich beim besten Willen nicht glauben! Da steckt noch was im Markt, was sich damit nicht in Einklang bringen lässt.
Ist Amerika reif für den Wechsel?
Natürlich kann es sein, dass die Wähler doch noch kalte Füße kriegen, wenn sie in der Wahlkabine ein Kreuz für einen „Farbigen“ machen sollen. Aber es kann auch einfach sein, dass die USA für so einen radikalen Wechsel einfach noch nicht bereit sind. Dass auf die Person Barack Obamas momentan einfach zu viele Wünsche und Hoffnungen projiziert werden, die er beim besten Willen nicht erfüllen kann. Die Finanzkrise mag dazu das ihre beigetragen haben.
Dass Obama also tatsächlich gewählt wird (und alles andere wäre eine faustdicke Überraschung), damit muss auch die Börse rechnen. Und dass sie diese Euphorie nicht in den Kursen spielt, heißt, dass sie dafür keinen Anlass sieht.
Ein Grund dafür könnte sein, dass es schlicht um weitere Belastungen aus der Finanzkrise geht, die mit den derzeitigen Tiefstkursen noch erwartet werden. Damit zweifelt die Börse allerdings die Wirksamkeit der weltweiten Rettungsmaßnahmen an. Das allein wäre schon schlimm genug.
Der andere Grund könnte sein, dass die Börse Obama die Lösung der vielfältigen Probleme einfach nicht zutraut. Und das weniger wegen „Unerfahrenheit“ oder „Anderssein“, als vielmehr wegen letztlich fehlender Unterstützung in Gesellschaft und Wirtschaft. Kurz: die Börse hält die USA einfach noch nicht reif dafür, einen solchen Wechsel bis zum Ende mitzugehen.
Obama kann sich keine Halbheiten leisten
Denn Obama hat etliche „Baustellen“ anzupacken, und keine davon ist eine Kleinigkeit. Vermutlich werden weder seine Gegner noch seine Anhänger (aufgrund der großen Erwartungshaltung) sich mit Halbheiten zufrieden geben, aber fraglich ist insbesondere, ob seiner Anhängerschaft alle Konsequenzen wirklich bewusst sind.
Die Börse preist also im Moment eventuell diese Unsicherheit ein – das mögliche Scheitern von Barack Obama und seiner Politik. Für die USA wäre es wirklich fatal - eine Art GAU - wenn die USA jetzt einen Barack Obama „verschleißen“, um hinterher dieses „Experiment“ für gescheitert zu erklären.
Wenn an dieser Vermutung wirklich etwas dran sein sollte, dann wäre John McCain vielleicht für die USA langfristig der „bessere“ Präsident. Denn nach ihm wird wahrscheinlich niemand mehr einen Barack Obama in Frage stellen. Insofern sind vier Jahre McCain unter Umständen das kleinere Übel – es sei denn natürlich, er bricht einen neuen „Bush-Krieg“ vom Zaun...
Wahrscheinlich werden sich die Wähler von der Börse nicht groß beeindrucken lassen. Aber auf einige Überraschungen können wir uns in der nächsten Zeit sicher noch gefasst machen. Doch warten wir zunächst erst einmal ab, was die nächste Woche bringen wird.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert