Dollar als Krisenwährung?
von Jochen Steffens
Man hört Stimmen der Verwunderung, dass der Dollar weiter Stärke zeigt. Mittlerweile wird der Dollar auch schon wieder als „Krisenwährung“ bezeichnet. Ich glaube jedoch, diese Interpretation geht ein wenig an den Tatsachen vorbei. Doch zunächst der Chart:
Die große Aufwärtsbewegung des Euro zum Dollar ist nun offensichtlich vorbei. Es kam im Zuge der Immobilien- und Kreditmarktkrise zu erheblichen Kursverlusten. Mittlerweile ist sogar die durchaus relevante Unterstützung bei 1,29 Dollar nach unten gebrochen. Mit den heutigen Kursverlusten ist eine „abc“-Konsolidierung abgeschlossen (grüne Rechtecke). Im Bereich des heutigen Tiefs kann der Euro also wieder drehen. Trotzdem, da der große Aufwärtstrend nach unten gebrochen wurde, ist erst einmal nicht mehr davon auszugehen, dass der Euro seinen Aufwärtstrend über die bisherigen Hochs bei 1,60 Dollar fortsetzt. Eher ist auch hier mit einer großen Seitwärtsbewegung zu rechnen.
Gab es einen fundamentalen Paradigmenwechsel?
Wenn ich so einen Chart sehe, muss ich mir natürlich die Frage stellen, ob es zu einem fundamentalen Paradigmenwechsel gekommen ist. Gibt es fundamentale Gründe, die für eine Dollarstärke sprechen? Ist das Haushaltsdefizit in den USA stark zurückgegangen? Nein, eher das Gegenteil – die Staatsausgaben explodieren im Zusammenhang mit der Kreditmarktkrise.
Ist das Außenhandelsdefizit massiv zurückgegangen? Nein, auch eine solche Entwicklung ist zurzeit nicht zu erkennen – letztens sprach Ben Bernanke noch von belasteten Exporten. Steigen etwa die Leitzinsen in den USA, so dass diese die Währung stützen? Nein, auch hier ist genau das Gegenteil der Fall.
Was verursacht also diese „seltsame“ Dollarstärke?
Wodurch wird also die Dollarstärke verursacht? Ein wichtiger Punkt, der auch für die Kursverluste an den Börsen mitverantwortlich gemacht wird ist, dass Banken und Hedgefonds aufgrund der schwierigeren Kreditvergabe, der Kreditmarktkrise und den damit verwandten Problemen massiv Positionen abbauen. Das tun sie natürlich nicht nur in den USA, sondern weltweit. Zurzeit fließt also viel Geld in die USA zurück, weil es genau dort gebraucht wird und dieser Rückfluss stützt den Dollar.
Doch es geht hier nicht nur um dringend benötigtes Kapital, das abgezogen wird. In Europa wird immer wieder gerne der Patriotismus der US-Anleger unterschätzt. In Krisen werden sie lieber das Geld im eigenen Land investieren, als im Ausland.
Zeitliche Verzerrung
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, bei dem es eher um die erwartete wirtschaftliche Schwäche in Europa geht. Dieser Grund macht zwar nur auf den ersten Blick Sinn, aber er spielt dennoch eine Rolle: Viele Anleger sind überzeugt davon, dass eine Rezession in den USA zu einer weltweiten Rezession führen wird. Die USA ist also Vorreiter, die anderen werden folgen. Viele ausländische Investoren denken zudem, dass in Europa eine mögliche Rezession noch gar nicht „eingepreist“ ist, eben weil eine Rezession hier bisher noch nicht in dem Maße wie in den USA thematisiert wurde. Dass dem so ist, sehe man schon allein an den hohen Leitzinsen in Europa, so die Theorie. Wenn jetzt Europa anfängt, den USA mit einiger zeitlicher Verzögerung in die Krise zu folgen, werden die USA natürlich auch wiederum das erste Land sein, das sich auf den Weg aus der Krise machen wird. Börsen nehmen Entwicklungen vorweg – Devisen reagieren meistens noch früher...
Bei näherer Betrachtung gibt es hier einige Punkte anzumerken: Natürlich wurde auch in den Kursen hier in Europa schon eine erhebliche Krise eingepreist. Schauen Sie sich dazu einfach die Charts einiger zyklischer Werte im Dax an. Die Kurse spiegeln bereits eine erhebliche Rezessionsgefahr wider, auch wenn das Thema Rezession so noch nicht thematisiert wurde. Letzteres liegt aber auch daran, dass die Krise Europa auch gar nicht so hart treffen wird, wie die USA. Die Leitzinsen in Europa sind zuidem aus zwei Gründen noch nicht so weit gesunken: 1. Die EZB soll hauptsächlich auf die Inflation achten. 2. Eine größere Rezession wurde bisher auch nicht erwartet.
Zinsgefälle sinkt
Den letzten Grund, den ich in diesem Zusammenhang anbringen will ist, dass Anleger damit rechnen, dass im Zuge einer weltweiten Wirtschaftskrise doch noch mit deutlichen Zinssenkungen durch die EZB zu rechnen ist. In den USA kann es hingegen gar nicht mehr zu größeren Zinsschritten kommen, so dass sich die Zinsschere zwischen Europa und den USA mit hoher Wahrscheinlichkeit schließen wird. Auch diese Entwicklung, die wie gewohnt vorweg genommen wird, schwächt den Euro.
Es wir nun interessant sein, ob sich tatsächlich auf dem aktuellen Niveau ein Boden im Euro ausbildet. Das wird davon abhängen, wie schnell die Devisenhändler die Tatsache umsetzen, dass die fundamentalen Rahmendaten eigentlich immer noch, man möchte fast sagen, mehr denn je gegen den Dollar sprechen.
W-Formation im Nasdaq100 Future hinfällig
Die Symmetrie ist nun endgültig vorbei. Eine W-Formation damit hinfällig. Tatsächlich ist der Nasdaq100 Future an der 1.380er Marke gescheitert. Dass er diese nicht überwinden konnte, ist ein weiteres Zeichen der Schwäche. Sehr kurzfristig ist damit wieder alles offen. Die Kurse können sich, wie gestern schon geschrieben, auch noch an der 1.260er Marke stabilisieren. Sie können auch noch einmal die Tiefs bei 1.200 Punkten erreichen, aber auch neue Tief sind denkbar. Die Wahrscheinlichkeiten für die verschiedenen Szenarien sind ungefähr ausgeglichen. Beim Dax besteht zudem noch, wie Montag geschrieben, ein Korrekturpotenzial bis 4.175 Punkte.
Viele Grüße
Jochen Steffens