Fokussierung auf positive Nachrichten?
von Jochen Steffens
Hinweis: Natürlich war die Trader-Task-Force, von der ich gestern geschrieben habe, ein Aprilscherz (F.I.R.S.T.A.P.R.I.L.). Noch ist tatsächlich niemand auf so eine verrückte Idee gekommen - zum Glück. Vielen Dank für die vielen Mails mit zum Teil sehr amüsanten Ergänzungen und Hinweisen, die ich von Ihnen dazu erhalten habe.
Börse wieder verrückt
Jetzt wird es wieder verrückt. Brach am Montag der DAX noch um 5 % ein, schießt er heute wieder um 6 % nach oben. Nach den US-Konjunkturdaten gestern stiegen die amerikanischen Indizes im weiteren Verlauf kräftig an und lösten damit die zuvor bearishen Signale auf. Dabei wurde die von mir gestern vorgestellte Schulter-Kopf-Schulterformation im Nasdaq100 nicht vollendet, so dass das letzte und eindeutig bearishe Signal ausblieb. Jetzt, während ich das schreibe, steht der Nasdaq100 wieder am oberen Ende der Seitwärtsbewegung. Diese Stärke muss angesichts der Probleme bullish gewertet werden, und das wiederum setzen die Indizes um.
Autowerte explodieren
Heute explodierten im DAX besonders die Autowerte (Daimler, BMW, Porsche), die jeweils um 15 % im Plus sind. Nach offiziellen Angaben der Medien lag das an den US-Absatzzahlen, nach denen die deutschen Werte besser als der Gesamtmarkt abgeschnitten haben. Die Zahlen waren aber eigentlich trotzdem schlecht. Ich glaube eher, dieser Anstieg liegt daran, dass die Fonds auf die bullishen Signale reagieren, die gestern durch die Stärke im Nasdaq100 ausgelöst wurden. Da Bankwerte bereits gut gelaufen waren, wurden nun die Aktien ausgewählt, die am zweitstärksten unter der Krise gelitten hatten: die Autowerte. Es wird nun quasi eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Ein letzter Grund ist natürlich, dass die Autowerte zuvor im Zuge der Nachrichten um GM deutlich zurückgekommen waren.
Was ist eigentlich „nachhaltig“?
Auch das ist ein bullishes Signal. Wichtiger wird aber, ob der Nasdaq100 nun die obere Begrenzung „nachhaltig“ überwinden kann. Ich würde dazu einen Schlusskurs über 1.300 Punkten als minimale Voraussetzung erwarten. Ich werde immer wieder gefragt, was „nachhaltig überwunden werden“ heißt. Das ist leider nur über die „Negation“ zu beantworten. Nicht nachhaltig ist ein Bruch einer Linie, wenn es nur ein Intradaybruch gewesen ist, der Schlusskurs also unterhalb dieser Widerstandsline geblieben ist. Auch wenn zu erkennen ist, dass nach dem Bruch keine Dynamik aufkommt, muss man vorsichtig sein. Manche sagen, dass es eine komplette Kerze oberhalb des Widerstands geben muss. Doch das ist fast schon übertrieben.
Es kommt darauf an
Es hängt natürlich auch davon ab, wie sich ein Wertpapier vor dem Bruch verhalten hat. Kommt es zum Beispiel zu einer massiven fast senkrechten Aufwärtsbewegung vor dem Widerstand, wird man den Begriff „nachhaltig“ durchaus weiter fassen, da die Dynamik einer solchen Bewegung einfach zu groß ist und solche Bewegungen gerne einmal über das Ziel hinausschießen. Scheitert ein Wertpapier zunächst an diesem Widerstand und kommt dann etwas zurück, um diesen etwas später doch noch zu brechen, wird man erheblich geringere Anforderungen an einen Ausbruch stellen.
Leider gibt es für den Begriff „nachhaltig“ demnach keine eindeutige Definition. Es ist tatsächlich ein Erfahrungswert, der durchaus auch ein gewisses Fehlerpotenzial beinhaltet. Manche behaupten sogar, dass das Wort „nachhaltig“ ein Trick von Analysten sei, mit dem diese sich auf die sichere Seite bringen wollen. Bei falschen Ausbrüchen könnten sie sich auf die „nicht nachhaltige“ Qualität des Ausbruchs herausreden.
Das ist aber Unsinn. Wer lange mit Charttechnik gearbeitet hat, wird den Unterschied schon erkennen und wissen, dass es so etwas wie Nachhaltigkeit bei einem Ausbruch wirklich gibt und dass diese Nachhaltigkeit aber von Fall zu Fall zu bewerten ist.
EZB senkt erneut Zinsen
Wenig beeindruckt zeigte sich der Markt von der Tatsache, dass die EZB die Zinsen lediglich um 25 Basispunkte auf 1,25 Prozent gesenkt hat. Analysten hatten mit einem Zinsschritt von 50 Basispunkten gerechnet. Allerdings könnte man das auch wiederum marktpositiv werten, denn die EZB hat sich ausdrücklich vorbehalten, die Zinsen noch weiter zu senken.
Schlechte Nachrichten werden unterbewertet
Wenn man sich die gestrigen Zahlen anschaut, dann hat der Markt den leicht besseren ISM-Index und die Hinweise, dass sich der US-Immobilienmarkt stabilisiert, höher bewertet als die US-Arbeitsmarktdaten (siehe US-Konjunkturdaten gestern). Auf der einen Seite ist das logisch, da Arbeitsmarktdaten nachlaufende Indikatoren sind. Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass der Markt mittlerweile schlechte Nachrichten unterbewertet und damit seinen Fokus auf positive Nachrichten ausrichtet. Bisher war es zumindest bis Anfang des Jahres andersherum, da gab es eine selektive Wahrnehmung hin zu den schlechten Nachrichten.
Sollte sich dieser Wechsel der Wahrnehmungsfokussierung fortsetzen, wäre das ein bullishes Signal.
Nasadaq100 bricht aus Seitwärtsbewegung aus
Ich sehe gerade, dass der Nasdaq100 mittlerweile sowohl die 1286er Marke als auch die 1.300er Marke überwunden hat. Dieser erneute Anstieg wird mit den Beschlüssen von G20 Gipfel in Zusammenhang gebracht, die um 17 Uhr veröffentlich wurden. Darauf werde ich leider erst morgen eingehen können.
Schlecht ist das deutlich Gap Up, das der Nasdaq100 heute ausgebildet hat (grünes Recheck):
Wir wissen, dass der Nasdaq100 dazu neigt, solche Gaps zu schließen. Die Frage ist wie immer nur, wann. Ich bin gespannt, wie die amerikanischen Indizes auf die morgigen Arbeitsmarktdaten reagieren.
Kleines Tradertreffen in Köln
Und jetzt noch eine andere Sache: Stockstreet und die Xing-Gruppe Bulle/Bär Köln werden am
22.04.09 um 19.30 Uhr in Köln zum zweiten Mal ein kleines Trader-Treffen veranstalten. Das Treffen wird in einem Kölner Brauhaus stattfinden und soll dazu dienen, in lockerer und entspannter Atmosphäre Kontakte zwischen Tradern, Spekulanten und Investoren in und um Köln herzustellen oder einfach nur ein wenig fachzusimpeln. Die Teilnahme ist natürlich (außer Getränke und Speisen) kostenlos.
Viele Grüße
Jochen Steffens
US-Konjunkturdaten
von Jochen Steffens
Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe ist stärker als erwartet um 12.000 auf 669.000 gestiegen. Das ist das höchste Niveau seit Oktober 1982! Analysten hatten mit einem Anstieg um 3.000 gerechnet.
Wenn man sich den Anstieg im Diagramm anschaut, der unvermindert weiter geht, wird einem mulmig was den morgigen Arbeitsmarktbericht anbetrifft. Ich vermute, dass die US-Börsen aus diesem Grund die aktuellen Gewinne nicht bis zum Handelende halten können. Andererseits spielt die Börse gerade ihr eigenes Spiel, darauf setzten würde ich also nicht.