Den Bären einen Bären aufbinden?
von Jochen Steffens
Im DAX setzen sich die langen Dochte nach oben, von denen ich berichtet hatte, offenbar durch. Gerade bricht der DAX um über 2,5 % ein. Schauen wir uns das im Chart an:
Der rote Pfeil weist auf die fünf langen Dochte nach oben hin. Diese Dochte zeigen, wie gesagt, dass bei 5.000 Punkten Verkaufsdruck aufkommt. Die Kurse versuchen immer wieder im Intradayhandel diese Marke zu erreichen, doch sie können sich zum Handelsschluss nicht auf dem Niveau halten. Jeder dieser Versuche kostet Energie. Irgendwann geht den Bullen einfach die Luft aus, sie müssen sich erst einmal zurück ziehen, um neue Kraft zu sammeln.
Im großen Bild wird das, was gerade passiert, noch deutlicher:
Der DAX ist, nach dem er aus seinem flachen Abwärtstrendkanal (rot) ausgebrochen ist, erst einmal an seinem primären Abwärtstrend (obere, breite blaue, abwärtsgerichtete Trendlinie) und der 5.000er-Marke gescheitert. Dort befand sich auch die obere Trendlinie seines steilen Aufwärtstrends. Diese Schnittstelle ist Teil eines starken Alpha-Targets. Kurz: Hier gab es einfach zu viele „Hindernisse“, die nach dem steilen Anstieg zuvor eine zu große Hürde darstellten.
Test nach Ausbruch
Nun testet der DAX den flachen Abwärtstrend (rot) von oben. Das ist ein ganz normales Prozedere nach einem Ausbruch. Hier befindet sich ein weiteres Alpha-Target, das aus dem Schnittpunkt der unteren Linie des Aufwärtstrends (schwarz gestrichelte Linie), der oberen Linie des Abwärtstrends“ und der 4.700er Marke (und noch einer weiteren Ebene, die hier nicht eingezeichnet ist) resultiert. Auch dieser Schnittpunkt hat eine hohe Anziehungskraft auf die Kurse, wie man sieht.
Nun kommt es darauf an: Gelingt der Test, steigen die Kurse also wieder an, ohne nachhaltig in den alten flachen Abwärtstrend zurückzufallen, kommen die 5.000er Marke und weitere Kurssteigerungen wieder ins Spiel. In diesem Fall wäre der aktuelle Einbruch an den alten Trend lediglich eine Bestätigung für den Ausbruch gewesen. Rutscht der DAX jedoch durch dieses Target nach unten, wird es deutlich kritischer. Denkbar ist auch, dass er an dieser Linie noch eine Weile weiter entlangläuft, zumal in dieser Woche ein kleiner Verfallstag stattfindet.
Die Bären- und Bullenfalle
Gehen wir einmal davon aus, dass es tatsächlich nur ein Test des alten Trends ist, der den Ausbruch bestätigt. In diesem Fall denke ich, dass wir noch einige Zeit mit der 5.000-Punkte-Marke zu tun haben werden. Und dann wird es richtig, richtig fies.
Dazu ein Beispiel:
Im April / Mai des Jahres 2003 bildete sich direkt nach der Rally vom damaligen Tief aus eine Art Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS) an der 3.000-Punkte-Marke. Der Bruch der Nackenlinie (blau) wäre ein bearishes Signal gewesen. Doch es war nichts weiter als ein gerade für die Bären sehr schmerzhafter Fehlausbruch. Das war der erste Bär, der den Bären aufgebunden wurde.
Ein weiteres Beispiel:
Etwas später, im September des gleichen Jahres bildete sich wieder eine SKS-ähnliche Formation. Damals wurde die Nackenlinie sogar mit einem bestätigenden Gap Down nach unten gebrochen, ein starkes Verkaufssignal. Es musste offensichtlich schon etwas mehr kommen, um hier die Bären zu täuschen. Und tatsächlich, es kam sogar zu einem stärkeren Kursrückgang. Ich kann mich noch gut erinnern, damals rechneten viele Analysten mit neuen Tiefs im Dax. Doch auch dieser Einbruch stellte sich als Fehlsignal heraus (das eigentliche Kursziel aus der SKS wurde jedoch erreicht). Ein weiterer Bär auf dem Rücken der Bären...
Uns wird Ähnliches bevorstehen
Ich fürchte, dass wir, sofern der Kampf um die 5.000er Marke fortgesetzt wird, ähnlich starke Fehlsignale sehen werden. Sollte die Rally anschließend fortgesetzt werden, ist eine SKS-ähnliche Formation wahrscheinlich. Sollten die Bullen den Kampf um die 5.000er Marke verlieren, wird es einen Fehlausbruch nach oben geben.
Fazit: Man muss jetzt abwarten, ob sich die Kurse nach den Kursverlusten wieder stabilisieren können und den Kampf um die 5.000er Marke fortsetzten. Wenn sie das nicht tun, die Kurse also nachhaltig in den alten Abwärtstrend zurück fallen, wäre das ziemlich bearish. Kommt es hingegen zu einem Kampf um die 5.000- Punkte-Marke, sollten Sie mit der Interpretation von diversen starken Signalen zunächst höchst vorsichtig werden.
Viele Grüße
US-Konjunkturdaten
von Jochen Steffens
Der Einzelhandelsumsatz ist im April um 0,4 % zurückgegangen. Analysten hatten lediglich mit einem Umsatzrückgang von 0,0 bis -0,1 % gerechnet, nach einem Minus von 1,3 % zuvor.

Ohne Autoverkäufe ist der Einzelhandelsumsatz um 0,5 % zurückgegangen. Analysten waren auch hier von einem besseren Wert ausgegangen, sie rechneten mit einem unveränderten Wert, nach Minus 1,2 % zuvor.
Die Bedeutung dieser Zahlen wird einem erst bewusst, wenn man sich das Diagramm anschaut. Offensichtlich setzt sich der Abschwung im US-Einzelhandel weiter fort. Der Abwärtstrend scheint noch nicht zu Ende zu sein. Angesichts der schlechten Zahlen vom US-Arbeitsmarkt, die wir in den letzten Monaten gesehen haben, sind diese Zahlen ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich die katastrophale Arbeitsmarktsituation so langsam doch auf den Konsum in den USA auswirkt.
Hinzu kommt noch, dass die Sprit- und Energiepreise in den USA wieder steigen und dieses Geld ebenfalls nicht mehr dem Konsum zur Verfügung steht.
Kein Wunder also, dass der Markt diese Zahlen so schlecht aufgenommen hat.