Viele Journalisten bedienen sich Formulierungen wie: Geld fließt in die Aktienmärkte, Geld wird abgezogen, Kauf- und Verkaufsdruck, Geld steht an der Seitenlinie und drängt in den Markt, oder, wenn die Kurse fallen, sind Gewinnmitnahmen schuld, usw. Das ist aber teilweise irreführend. Ich möchte aus diesem Grund einen Aspekt aufzeigen, der die tatsächliche Situation ein wenig deutlicher macht.
Die Ausgangslage:
Es fließt kein Geld in den Markt, denn jeder Kauf einer Aktie ist gleichzeitig auch ein Verkauf. Mit jedem Euro, der in den Markt fließt, fließt demnach auch einer ab. Auch steht somit kein Geld an der Seitenlinie, das irgendwann in den Markt drängt und dann nicht mehr an der Seitenlinie steht, denn jeder Kauf führt nur dazu, dass der Verkäufer das Geld hat und es dann quasi bei ihm „an der Seitenlinie“, sprich woanders, steht. Gewinnmitnahmen als Grund für fallende Kurse machen eigentlich auch keinen Sinn, denn Gewinne können nur „mitgenommen“ werden, wenn diese Aktien auch jemand kauft. Bei Gewinnmitnahmen könnte man demnach genauso behaupten, dass gerade massiv eingestiegen wird. Es gibt auch nicht mehr Käufer als Verkäufer, da, wie gesagt, jeder Deal immer beide Seiten erfordert. Sind all diese Formulierungen also Unsinn?
Grundsätzlich und „gefühlt“ stimmen aber all diese Beschreibungen, sonst würden sie nicht so oft verwendet. Wieso erscheint es dann auf den zweiten Blick so unlogisch?
Ein weiterer Aspekt des Marktes
Um das zu verstehen, muss man einfach eine weitere „Dimension“, ein weiteres Bezugssystem, zu diesen Begriffen hinzufügen, und dann macht alles Sinn. Und das ist der aktuelle Kursbereich, also der unmittelbare Bereich um den zuletzt gestellten Kurs. Diesen werde ich in der Folge mit dem Begriff (ungefähres) „Kursniveau“ beschreiben. Und dabei geht es im Prinzip immer um die Entwicklung von Kauf- und Verkaufsordern in diesem Bereich.
Ein Blick in das Orderbuch macht es verständlich
Der Kurs steigt, wenn auf dem Kursniveau mehr Kaufwillige als Verkaufswillige vorhanden sind bzw. umgekehrt. Dazu ein Blick in ein theoretisches Orderbuch. Der zuletzt gestellte Kurs liegt bei 10,00 Euro.
Sie sehen auf der linken Seite, dass es auf dem momentanen Kursniveau, in diesem Fall also unterhalb des aktuellen Aktienkurses, nur zwei Kaufwillige gibt. Bei 9,90 Euro will jemand 10 Aktien und bei 9,50 Euro ein anderer 5 Aktien kaufen. Insgesamt liegen damit 15 Aktien zum Kauf auf dem Kursniveau zwischen 9,30 und 9,90 Euro. Die Nachfrage ist also sehr gering. Auf der Angebotsseite finden sich dagegen viele Verkäufer, die insgesamt 283.000 Aktien verkaufen möchten.
Kursbewegung ohne Handel?
Was würde als nächstes wahrscheinlich geschehen? Richtig, der Kurs würde stark fallen, und zwar weil bei diesem Kursniveau um 10,00 Euro herum wesentlich mehr Verkäufer zu finden sind als Käufer. Aber potenzielle Verkäufer sind noch keine tatsächlichen Verkäufer. Warum fällt also der Kurs trotzdem?
Grund ist das Missverhältnis zwischen aktuellen Kauf- und Verkaufswilligen. Stellen Sie sich dazu vor, Sie möchten eigentlich diese Aktie zu 10,50 Euro verkaufen. Sie sehen aber, dass bei diesem Niveau über 200.000 Aktien vor Ihnen zum Verkauf stehen (die Summe aller zu Kursen von 10,10 bis 10,40 € angebotenen Aktien). Auf der anderen Seite finden sich aber nur 15 Aktien, die gesucht werden. Sie können natürlich die Order in den Markt legen und warten und beten. Wenn Sie aber davon ausgehen, dass der richtige Zeitpunkt für einen Verkauf gekommen ist, werden Sie nervös sein. Sie haben Angst, dass der Kurse immer weiter fällt und ihre Gewinne zusammenschmelzen. Also werden Sie lieber zu einem tieferen Kurs verkaufen. Und vielleicht schon einmal von ihrer Position 15 Aktien verkaufen, da sich für diese Anzahl Käufer finden. Prompt fällt der Kurs auf 9,50 Euro.
Das sehen wiederum die anderen Verkaufswilligen und geraten unter Umständen ebenfalls in Sorge und versuchen zu niedrigeren Kursen zu verkaufen. Sie senken ihre Verkaufslimits, und zwar unter Umständen so weit, bis sie einen Käufer finden. Und genau das ist der Grund, warum bei einem Übergewicht von Verkäufern bei einem bestimmten Kursniveau der Kurs fällt. Und so stimmt die Welt wieder.
Wie Geld in die Aktienmärke fließt
Insofern kann Geld auch in die Märkte fließen, aber nicht in dem wörtlichen Sinne, wie es diese Formulierung suggeriert. Denn das Geld des Käufers fließt ja stets nur in die Kasse des Verkäufers. Sinn macht diese Aussage nur, wenn man wiederum ein Kursniveau als Bezugssystem nimmt. Es müsste eigentlich heißen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt und auf einem bestimmten Kursniveau mehr Käufer versuchen, Aktien zu bekommen.
Das kann man wieder im Orderbuch erkennen, denn es führt zu einer stärkeren Käuferseite im Orderbuch und somit zu steigenden Kursen. Die steigenden Kurse erhöhen die Marktkapitalisierung der Unternehmen (Marktkapitalisierung ist gleich Anzahl der Aktien * Kurs) und somit wird quasi Wert „geschaffen“, wenn auch nur als Buchwerte. Und deswegen sieht es so aus, als würde Geld auch absolut in die Märkte fließen und dazu führen, dass alles teurer wird. Das ist aber, wie oben beschrieben, Unsinn – erklärt aber, warum man „gefühlt“ diesem Ausdruck zustimmen möchte.
So kommt es zu Gewinnmitnahmen
Ähnlich verhält es sich mit dem Ausdruck „Gewinnmitnahmen“. Natürlich ist jeder Verkauf auch ein Kauf. Also sind starke Gewinnmitnahmen nichts anderes als ein starker Anstieg der Zahl der Verkaufswilligen. Und nur das treibt die Kurse nach unten (siehe Beispiel oben).
Geld an der Seitenlinie
Besonders schön wird es bei dem Begriff „Geld steht an der Seitenlinie“. Beim Blick in das Orderbuch kann man wirklich sagen, dass Geld auf einer Seite steht und auf einen Einstieg wartet. Das ist aber mit dem Begriff natürlich nicht gemeint. Es geht nur darum, dass irgendwann viele Anleger, die potentiell ein Interesse an Aktien haben, sich noch nicht trauen, einzusteigen. Wenn sie es dann doch tun, weil sie wieder überzeugt sind, Aktien seien eine gute Anlage, drängen Sie zu einem bestimmten Kursniveau in den Markt und füllen die Käuferseite des Orderbuchs. Und das ist es, was dann wiederum die Kurse treibt.
Fazit
Wenn Sie also das Bezugssystem „aktuelles Kursniveau“ in all diese Äußerungen über den Geldfluss im Markt einbeziehen, werden sie verständlicher und enthüllen ihren eigentlichen Kern. Wir bleiben somit weiter bei diesen bekannten Formulierungen, weil sie „irgendwie doch“ stimmen, auch wenn sie so, in ihrer verkürzten Form, nicht ganz korrekt sind. Aber es hat sich so eingebürgert, und jedes Mal eine vollständige Erklärung zu liefern, wäre zu aufwändig. Trotzdem sollten Sie als Trader diese Vorgänge sehr genau differenzieren können, denn häufig sind solche Formulierungen gerade in den Massenmedien letztlich nichts weiter als sinnleere Verlegenheitsformulierungen …
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens
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