100.000 Stellen zu wenig
US-Konjunkturdaten
100.000 Stellen zu wenig
von Jochen Steffens
Ja, auch das ist Börse. Man analysiert alle Zahlen, hält sich an historische Parallelen, macht und tut, und dann kommt es anders. Hierzu muss man nicht mehr viel schreiben, Kostolany hat dies bereits in eine Börsenweisheit gemeißelt: „An den Börsen kann immer alles geschehen, auch das Gegenteil.“
Und genau das erleben wir heute beim US-Arbeitsmarkt. Nachdem die sonstigen Zahlen zur Situation auf dem US-Arbeitsmarkt deutlich besser ausgefallen waren, hat heute der offizielle Arbeitsmarktbericht der US-Regierung überraschend enttäuscht:
Statt 140.000 neue Stellen, wie von den Analysten erwartet, wurden lediglich magere 39.000 Stellen geschaffen! Das ist mehr als enttäuschend und kein gutes Signal. Auch die Arbeitslosenrate stieg wider Erwarten von zuvor 9,6 % auf nun 9,8 %. Erwartet wurde ein unveränderter Wert.
Seltsame Aussagen der Fed zum Arbeitsmarkt
Interessanterweise verstehe ich jetzt, warum in der letzten Woche vermehrt skeptische Aussagen von Fed-Mitgliedern zum US-Arbeitsmarkt zu lesen waren. Diese negativen Aussagen hatten mich nach den besseren Zahlen der anderen Arbeitsmarkt-Indikatoren gewundert. Aus diesem Grund hatte ich sie auch nicht mit dem jetzigen Arbeitsmarktbericht zusammengebracht, sondern als längerfristig gemeinte Aussage gewertet. Doch eigentlich hätte ich es besser wissen müssen:
Vergangene Zeiten
Denn leider konzentrieren sich die Aussagen und Prognosen der Fed mittlerweile oft nur noch auf kurzfristige, wenn nicht tagesaktuelle Zeiträume. Längerfristige Prognosen gibt es eigentlich kaum noch, und wenn doch, dann haben sie erheblich an Qualität verloren. Geändert hatte sich das bereits mit dem Amtsantritt Ben Bernankes, doch in dieser Krise ist es immer schlimmer und schlimmer geworden.
Das war zu Zeiten Alan Greenspans noch anders. Auch wenn mittlerweile viel Negatives über ihn geschrieben wird, auf seine Prognosen zumindest konnte man sich meist verlassen. Seine Aussagen bezogen sich zudem fast immer auf die längerfristige Entwicklung der US-Wirtschaft. Besonders hilfreich waren dabei antizyklische Aussagen: Wenn Greenspan mitten in der Krise auf einmal positive Aussagen machte, war dies meist ein gutes Einstiegsignal (und umgekehrt). Und Alan Greenspan kümmerte sich auch nicht um kurzfristige Verwerfungen. An einer einmal getroffenen Prognose hielt er oft unbeeindruckt von aller Kritik fest und hatte meistens auch noch recht damit.
Stimmungsschwankungen eines Anfängers
Zurzeit sind die Aussagen der Fed so wankelmütig, wie der Markt selbst. Sie erinnern ein wenig an die enormen Gefühlsschwankungen eines Trading-Anfängers: Morgens gerät er bei immer weiter steigenden Kursen in eine euphorisch, bullishe Stimmung, die sich bereits mittags mit der ersten kleinen Konsolidierung in schiere Panik wandelt. Abends schließlich, nachdem es doch noch zu einem neuen Hoch gekommen ist, geht dieser Trader mit dem Wort „Rally“ im Kopf ins Bett, nur um morgens erneut verzweifelt fallenden Kursen hinterher zu schauen. Wir kennen das alle…
Ben Bernanke arbeitete als Professor. Meines Wissens hat er nie real an den Märkten gehandelt. Und ich glaube, das ist ein Manko. Vielleicht fehlt im einfach die Erfahrung, welche die meisten Trader mit den Jahren erwerben müssen, um nicht unterzugehen – nämlich in größerem Rahmen zu denken und sowohl Konjunkturdaten als auch Marktbewegungen niemals überzubewerten und vor allem, sich niemals von der allgemeinen Hysterie der Märkte und Medien und Trader-Kollegen anstecken zu lassen.
So verrückt es klingt, aber es ist wirklich so: Wenn ich auf die Aktionen der Fed der letzten Jahre zurückblicke, scheint es einige Parallelen zu dem typischen Verhalten eines Trading-Anfängers zu geben. Oder bin ich zu kritisch? Die Fußstapfen, die Alan Greenspan hinterlassen hat, waren schließlich ohne Frage sehr groß. Das könnte das Bild verzerren…
Zwei mögliche Reaktionen
Die Märkte reagierten auf die schlechten Arbeitsmarktdaten zunächst mit Abschlägen. Im weiteren Verlauf muss nun abgewartet werden, wie der Markt die Daten bewertet. Und hier gibt es zurzeit leider zwei Möglichkeiten:
Zum einem kann man diese Daten als deutlichen Hinweis darauf werten, dass der US-Arbeitsmarkt doch noch längere Zeit braucht, sich nachhaltiger zu erholen. Das könnte ein Hinweis sein, dass die Rezessionsgefahren wieder zunehmen, was wiederum ein schlechtes Signal für die Märkte wäre.
Auf der anderen Seite sind diese schlechten Daten eben auch ein Garant dafür, dass die Fed die extrem lockere Geldpolitik noch eine Weile fortführen wird. Das wiederum ist gut für die Märkte. Denn solange die Märkte mit Geld überschwemmt werden, sollten sie unterstützt bleiben.
Welcher dieser Faktoren sich im weiteren Verlauf und insbesondere auch in der nächsten Woche durchsetzen wird, ist kaum abzusehen. Bis jetzt scheint der Markt sich ebenfalls noch nicht entscheiden zu können.
Und damit bleibt die in den letzten Tagen besprochene Frage immer noch unbeantwortet: Schaffen die US-Indizes den Ausbruch über die wichtigen Widerstandslinie oder nicht? (siehe die Steffens Daily der letzten Tage).
Leider müssen wir also, sofern nicht noch etwas Gravierendes an den US-Indizes geschieht, mit diesem unbefriedigendem Gefühl einer fehlenden Entscheidung ins Wochenende gehen.
US-Konjunkturdaten
von Jochen Steffens
Der ISM-Dienstleistungsindex stieg auf 55,0 Punkte. Analysten hatten mit diesem Stand gerechnet. Im Vormonat hat der ISM-Index noch bei 54,3 gelegen.
Der Anstieg des ISM-Dienstleistungsindex stimmte die Börse schlussendlich etwas versöhnlicher. Da jedoch die Erwartungen getroffen wurden, blieben die Impulse verhalten.
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