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Stürzt Griechenland die EZB in die Pleite?
Verehrte Leserinnen und Leser,
eigentlich ist die Rechnung ganz einfach: Geschätzte 47 Milliarden Euro hat die EZB im Laufe der vergangenen zwölf Monate in griechische Staatsanleihen investiert. Bei einem Zahlungsausfall des Landes dürften nach den Erfahrungen früherer ähnlicher Fälle etwa 50 bis 60 % davon abgeschrieben werden müssen. Das wären rund 25 Milliarden Euro.
Die EZB – eine unterkapitalisierte Notenbank
Das Eigenkapital der EZB beträgt jedoch nur 11 Milliarden Euro. Ein Staatsbankrott Griechenlands würde also zur De-Facto-Pleite der zweitgrößten Notenbank der Welt führen. Weitere ausfallgefährdete Sicherheiten, welche griechische Banken mittlerweile in größerem Umfang bei der EZB hinterlegt haben (von bis zu 90 Milliarden Euro ist dabei die Rede), sind dabei noch gar nicht mitgerechnet...
Die Pleite der EZB wäre für die EU, den Euro und die europäische Politik ein kaum abzuschätzender Rückschlag. Auch die Folgen für das Finanzsystem insgesamt sind dabei unkalkulierbar. Es ist also klar, dass an einem solchen geldpolitischen Super-GAU niemand interessiert sein kann.
Griechenland muss also am Leben erhalten werden. Aber wie? Zum Monatswechsel präsentierten der französische und kurz danach der deutsche Finanzsektor Vorschläge über eine freiwillige Beteiligung an einer möglichen Umschuldung griechischer Schulden.
Schützt die EZB die Banken oder sich selbst?
Angeblich entspräche die skizzierte Lösung den Kriterien der Ratingagenturen, hieß es zunächst. Standard & Poor‘s, der größte Bonitätswächter, beeilte sich jedoch zu erklären, dass dem nicht so sei. Im Klartext: Sollte es zu diesem Beteiligungsmodell kommen, würde S&P dies als Zahlungsausfall Griechenlands werten – und damit faktisch die EZB in die Insolvenz schicken.
Vermutlich deshalb wehrt sich die EZB so vehement gegen die Beteiligung privater Schuldner an einer Rettungsaktion. Dabei geht es ihr gar nicht um den Schutz der Banken, wie viele Beobachter argwöhnen, sondern schlicht um die Rettung der eigenen Haut.
Man sollte meinen, die Politik und die Währungshüter würden nun mit Hochdruck daran arbeiten, hinter den Kulissen eine Lösung zu zimmern, die es irgendwie allen Recht macht, auch den Ratingagenturen. Sicherlich könnten die Europäer dabei auch auf Schützenhilfe der USA hoffen, denn schuldenmäßig sitzen alle im selben Boot.
Warum die Ratingagenturen sich quer stellen
Aber natürlich fürchten die Ratingagenturen um die letzten Reste ihres guten Rufes. Denn jeder „Deal“ hätte das Geschmäckle der Kungelei. Die drastische Abstufung Portugals durch Moody’s in der vergangenen Woche kann man daher auch als ernsthaften Warnschuss in Richtung Politik verstehen: Wir beugen uns eurem Druck nicht!
Ob das langfristig eine sinnvolle Strategie ist, bleibt dahingestellt. Kurzfristig erfüllt sie durchaus ihren Zweck: Die EZB ist aufgrund ihrer beschriebenen Abhängigkeit nämlich erpressbar geworden. Es scheint derzeit daher so, als bliebe nur die von der EZB favorisierte „Lösung“ weiterer Rettungsfonds. (Passend dazu fordert die EZB heute einen doppelt so großen Euro-Rettungsschirm, angeblich aus Sorge über Italien...)
Damit würden letztlich die anderen Euroländer Griechenlands Schulden übernehmen – das gefürchtete Modell der Transferunion wäre perfekt. Die Ratingagenturen wären’s zufrieden. Wie sagte S&P-Deutschland Statthalter Torsten Hinrichs unlängst in einem Interview? „Für uns ist es egal, wer für Griechenland zahlt.“
Die Erpressbarkeit der EZB macht den Rettungsschirm wirkungslos
Leider ist das aber ebenfalls zu kurz gedacht, zumindest aus Sicht der EZB. Bisher galt nämlich als abgemacht: Griechenland, Irland und eventuell auch Portugal können mit Hilfe des Euro-Rettungsfonds noch über Wasser gehalten werden, erst bei Spanien (oder wahlweise Italien) wäre Schluss.
Diese Rechnung wird jedoch sofort über den Haufen geworfen, wenn sich die Ratingagenturen im Falle Griechenlands quer stellen. Denn die Erpressbarkeit der EZB würde sich mit dem nächsten Ausfallkandidaten nur noch erhöhen. Die Märkte würden auf diesen Zug aufspringen und den Druck weiter verstärken.
Und ob sich dann noch der politische Wille findet, diese „Spielchen“ ohne Aussicht auf ein Ende mitzumachen, ist sehr zweifelhaft. Denn auch der Politik ist inzwischen klar, dass eine Pleite Griechenlands unabwendbar ist. Man sucht nur noch einen Weg, der mit möglichst geringen Schäden verbunden ist.
Die Märkte zeigen sich – noch! – erstaunlich gelassen...
Erstaunlich ist nur, dass die Börsen dieses Thema seit Ende Juni zu vernachlässigen scheinen. An den Kursverlusten im Mai und Juni hatte die Schuldenkrise jedenfalls einen maßgeblichen Anteil. Zählten doch Banken zu den Hauptverlierern während dieser Zeit. Allerdings erholte sich die Branche auch wieder sehr schnell, nachdem in Brüssel und Athen wichtige Beschlüsse gefasst wurden.
Aber wie gesagt, die Krise ist damit keineswegs vorüber, bestenfalls vertagt. Gehen Sie also davon aus, dass die Märkte demnächst wieder auf dieses Thema zurückkommen. Bleiben Sie daher dem Finanzsektor gegenüber – zu dem im Übrigen mittlerweile auch die Versicherungen gehören! – weiterhin zurückhaltend. (Zu den Chancen und Risiken des Bankensektors gab ich am vergangenen Donnerstag auch ein Interview im Deutschen Anlegerfernsehen.) Die spekulativen Chancen dieser Branche, die durchaus vorhanden sind, wurden mit den jüngsten Kursgewinnen schon deutlich genutzt.
Finden die Börsianer jetzt ein anderes Thema?
Möglicherweise finden die Anleger während der beginnenden Quartalsberichtssaison andere vielversprechende Themen, die von den Schuldenproblemen ablenken und den Bullen weiter Auftrieb geben. Lassen Sie also Ihre Gewinne ruhig weiter laufen, aber denken Sie – gerade in der Sommerzeit! – über Absicherungs- und Gewinnmitnahmestrategien nach (siehe hierzu auch der nachfolgende Hinweis)!
Und vielleicht nutzen die Bullen ihren Schwung der vergangenen zwei Wochen tatsächlich, um erneut die Jahreshochs zu attackieren. Wann, wenn nicht jetzt, besteht dazu eine so günstige Gelegenheit?
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
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