Inhaltsverzeichnis
Das Ende einer schwierigen Woche
Glauben Sie mir, ich bin froh, wenn diese Woche endlich zu Ende ist. Wenn Sie mich schon länger lesen, wissen Sie, dass ich politisch motivierte Börsen nicht mag. Aber es gab auch eine Vielzahl interessanter Gespräche in den vergangenen Tagen.
Eben noch fragte mich ein Kollege beim Mittagstisch, wie ich denn die Auswirkungen politischer Ereignisse auf die Relevanz von charttechnischen Signalen einschätze. Er wollte wissen, ob in solchen Situationen Charttechnik überhaupt noch Sinn macht und wie relevant zum Beispiel die Aussagekraft des Trendbruchs im DAX sei.
Charttechnik bleibt Mittel der Wahl
Zunächst einmal bleibt die Charttechnik gerade auch in solchen Phasen das Mittel der Wahl für den kurzfristig orientierten Trader. Und keine Frage, Käufer werden aufgrund der Psychologie immer wieder versuchen, bei charttechnischen relevanten Marken einzusteigen. Außerdem kann man zum Beispiel anhand der Stärke der Gegenbewegungen an solchen Marken erkennen, wie viele Käufer im Markt sind, bzw. wie stark die Bären sind. Im Stockstreet Premium Trader haben wir daher während des Crashs mit Hilfe der Target-Trend-Methode einige tiefe Abstauberlimits an charttechnisch relevanten Marken platziert. So sind wir zu extrem günstigen Kursen in einige Aktien reingekommen, die dann meistens sofort eine dynamische Gegenbewegung aufgrund der höchst überverkauften Situation gestartet haben. Dadurch erzielten unsere Leser oft in wenigen Tagen schnelle und hohe Gewinne. Und diese Abstauberlimits waren häufig sehr präzise ausgewählt – das war Charttechnik, die auch im scheinbaren Chaos funktionierte.
Einbußen in der Zuverlässigkeit der Signale
Auf der anderen Seite muss natürlich bedacht werden, dass die Signalqualität der Charttechnik in solchen Situationen sinkt. Ein einfaches Beispiel dazu: Man könnte nun sagen, der Trendbruch im DAX sei bearish zu bewerten. Nehmen wir an, kurz nach diesem Trendbruch hätte Gaddafi aufgegeben. Innerhalb weniger Minuten bis Stunden wäre dieses Bärensignal hinfällig geworden. Daraus folgt, die charttechnischen Signale verlieren in politischen Börsen an Aussagekraft, was die weitere Prognosequalität anbetrifft. Auch sinkt das Chance-/Risikoverhältnis bei den einzelnen charttechnischen Formationen zum Teil erheblich.
Eine schwere Zeit
Und aus diesem Grund sind Marktphasen, die von politischen Börsen geprägt sind, für kurzfristig orientierte Trader besonders schwer. Wie Sie wahrscheinlich wissen, wird die Wahrscheinlichkeit umso wichtiger für Ihre Performance, je kürzer Sie traden. Und gerade im kurzfristigen Traden geht es oft um wenige Prozentpunkte Wahrscheinlichkeit. Da die Zuverlässigkeit und die Signalrelevanz der Charttechnik in diesen politischen Börsen merklich sinken, kann das zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Performance führen. Aber wer hat auch gesagt, Börse sei einfach.
Die Ethik des Investierens
Und noch eine weitere interessante Diskussion ergab sich aus der aktuellen Nachrichtenlage. So stellte mir einer unserer Trader die Frage, ob es nicht in irgendeiner Weise verwerflich sei, jetzt auf einen fallenden DAX zu setzen. Und zwar deswegen, da man damit doch indirekt darauf setzen würde, dass die Lage in Libyen oder in Nordafrika weiter eskaliert.
Im Laufe des Gesprächs entwickelte sich ein weiteres Beispiel, das die Problematik wesentlich eindringlicher beschreibt. Aus diesem Grund möchte ich dieses drastische Beispiel aufgreifen, um einfach das ethische Dilemma bei manchen Investitionen hervorzuheben:
Was ist, wenn ein Trader jetzt bei Apple auf fallende Kurse setzt, weil er davon ausgeht, dass Steve Jobs seine Krankheit nicht besiegen wird. Sind solche Trades ethisch noch vertretbar?
Grenzwerte der Ethik?
Wir haben lange diskutiert, ohne zu einer tragfähigen Lösung zu kommen. Sämtliche Lösungsversuche scheiterten an einer klaren Grenzziehung, als müsse man Grenzwerte festlegen, ab wann ein Verhalten unethisch ist und wann nicht. Ähnlich wie bei Grenzwerten für Umweltbelastungen käme es dabei wohl zu eher willkürlichen Festlegungen.
Ich kann hier also auch keine Antworten geben. Zumal dieser Fragestellung in letzter Konsequenz auch noch eine höchst subjektive Komponente innewohnt.
Der ganz normale Wahnsinn
Und das Folgende kennen Sie sicherlich auch: Wenn Sie seit vielen Jahren an der Börse tätig sind, verschwimmen die Hintergründe. Börse wird zu Zahlen und Linien auf den Monitoren. Die Ereignisse, die hinter den Kursbewegungen stehen, verlieren an Bedeutung. Ein Kursrutsch ist ein Kursrutsch, der Grund für diesen ist höchstens aus Sicht möglicher weiterer Konsequenzen interessant.
Auf Nachrichten wird emotionslos reagiert, um im Spiel der Spiele überleben zu können. Und wahrscheinlich wäre es auch anders gar nicht möglich, langfristig erfolgreich zu bleiben. Diese scheinbare Emotionslosigkeit ist allerdings keineswegs ein typisches Traderproblem. Als Arzt müssen Sie bei schwierigen Operationen den Mensch ausblenden, als Jurist gilt das Gesetz, nicht ihr Mitgefühl, als Polizist können Sie Gefahr laufen, ein Menschenleben für viele andere zu opfern – es gibt so unendlich viele Bereiche, in denen zu viele Emotionen störend sind.
Ein Augenblick der Menschlichkeit
Aber umso wichtiger ist es, sich hin und wieder zurückzulehnen, um zu fragen, was eigentlich wirklich da draußen geschieht. Börse ist nur ein Abbild, eine Reaktion auf die Ereignisse. Aber hinter den Ereignissen selbst stehen immer auch Menschen, Träume, Hoffnungen und oft genug auch tragische Schicksale.
Mit diesen Gedanken und Fragen möchte ich Sie heute ins Wochenende entlassen.
Viele Grüße
Jochen Steffens
Die Börsenbriefe von Stockstreet
Die gut abgestimmte Palette unserer Börsenbriefe reicht von der Investment Strategie für langfristig orientierte Investoren, über die Aktien-Perlen und den Premium Trader, bis hin zum Allstar Trader für schnelle Gewinne. Der sehr spekulative Hebel XXL und die täglichen Chartanalysen des Target Trend Spezial runden das Angebot ab.