Hennen-Rennen im Dax
von Jochen Steffens
Jetzt drehen sie durch. Die Deutsche Bank springt um über 20 % nach oben, Deutsche Börse um über 17 %, Allianz macht schlappe 15 %. Das meinte ich: Wenn es nach oben geht, kann es ganz schnell gehen. Obwohl, so habe selbst ich mir das nicht vorgestellt: Der Dax notiert über 5 % im Plus. Das ist ehrlich gesagt vollkommen übertrieben, hängt aber auch mit dem Verfallstag zusammen.
Hier fanden heute mehrere Faktoren zueinander:
- Gerade die Shorties werden heute gegrillt – diese müssen ihre Positionen zurückkaufen, um nicht ins Minus zu geraten. Der Rückkauf der Positionen feuert gleichzeitig die Kurse an. Es kommt zu einem Teufelskreis, den man gemeinhin "Short-Squeeze" nennt.
- Wir haben heute dreifachen Hexensabbat. Und dieser macht seinem Namen gerade alle Ehre. Je nach Positionierungen der Optionen, kann es zu erheblichen Kursschwankungen im nahen Umfeld und gerade an dem Tag selbst kommen. Tatsächlich haben es die Stillhalter doch noch geschafft, den Dax auf über 6000 Punkte zum Mittag zu kriegen. Dort lagen die größten Put-Positionen, die nun wertlos verfallen sind. Heute Abend geht es um die Aktien, und auch hier werden bestimmte Marken anvisiert, die angesichts des starken Marktes deutlich höher als erwartet liegen.
- Einige Absicherungspositionen der Stillhalter werden wahrscheinlich bereits jetzt auf den Markt geschmissen und führen ebenfalls zu steigenden Kursen.
- Dagegen scheint der eigentliche Grund der Rally nahezu unbedeutend (kleiner Scherz): Gestern wurde bekannt, dass die USA planen eine Auffanglösung für notleidende Kredite der Banken einzurichten. Es geht darum, „illiquide Hypothekenpapiere“ aus den Bilanzen der Finanzunternehmen herauszunehmen. Das wäre natürlich ein erheblicher Befreiungsschlag für die Banken.
Was den Markt dabei bisher weniger zu interessieren scheint ist, dass es hierbei um die lapidare Summe von über 500 Mrd. Dollar (!) geht, die sich der Staat nun quasi auch noch aufbürdet. Auch wenig bekannt ist, dass es viele, viele Monate dauern wird, eine derartige Auffanggesellschaft einzurichten.
Auch erwähnt werden sollte, dass die Banken belohnt werden, die schlecht gewirtschaftet haben, also die, die zu gierig waren. Das Problem dabei ist, dass so natürlich kein Lerneffekt entsteht und alte Strukturen überleben, die im Prinzip das marktwirtschaftliche Recht zu Überleben verwirkt haben. Wenn Fehler in einer Marktwirtschaft nicht mehr zu einer Gefährdung des Unternehmens führen, kann man auch direkt alles verstaatlichen.
Kreative Zerstörung
Ein letzter Punkt ist, dass so auch ein Prozess verhindert wird, der eigentlich für eine gesunde Marktwirtschaft überlebenswichtig ist: Der Prozess der kreativen Zerstörung. Unternehmen müssen pleite gehen, damit Neues entstehen kann. Neue, junge, agilere Unternehmen. Wir kennen das alle: Wenn Unternehmen zu groß werden, werden diese „bürokratisch“ und damit meistens schwerfällig und träge.
Eine Marktwirtschaft, die agil und schnell auf die Veränderungen der Gegebenheiten reagieren will und somit besser als andere sein will, braucht aber eben diese jungen, neuen, agilen Unternehmen.
Der überalterte Unternehmenswald
Stellen Sie sich das wie einen Wald vor, bei dem die alten Bäume gehegt, gepflegt und gestützt werden. In dem Schatten dieser Bäume können keine neuen, jungen Bäume entstehen. Irgendwann ist dann der ganze Wald massiv überaltert. Wenn es dann zu einem Sturm kommt, knicken die ganzen alten und innen morschen Bäume um!
Und genau das ist das Problem. Denn schon seit Jahrzehnten wird dieser Prozess der kreativen Zerstörung auf allen Ebenen und in nahezu allen Ländern mit massiven Subventionen in allen erdenklichen Formen abgeschwächt bis ausgemerzt. Eine der Folgen davon erleben wir gerade: Es gibt zu viele Unternehmen und Firmen, die zu groß sind, um fallen gelassen zu werden (AIG, aber auch Fannie und Freddie und andere). Und tatsächlich, wenn AIG gefallen wäre, wäre wahrscheinlich ein großer Teil des Waldes mit umgeknickt.
Und auch jetzt wird dieser Sturm verhindert und damit doch nur um eine gewisse Zeit nach hinten verschoben. Er wird irgendwann kommen, je später, desto schlimmer wird es werden. Aber das nur am Rande.
Trotzdem die richtige Maßnahme?
Trotzdem sind die jetzigen Maßnahmen aus Sicht der Fed und der Banken (und auch aus meiner persönlich, egoistischen Sichtweise) die richtige Lösung. So wird es erst einmal zu einer Beruhigung im Inter-Bankenmarkt kommen. Die Banken werden sich untereinander wieder mehr vertrauen und die Kreditmarktklemme könnte damit aus der Welt sein.
Egoistisch, das ich nämlich eine große Weltwirtschaftskrise, die meines Erachtens gestern an die Türen dieser Welt klopfte, NICHT miterleben möchte. Die Folgen für uns alle wären im schlimmsten aller denkbaren Fälle: Massenarbeitslosigkeit, Ende der Gesundheitsversorgung, Ende des Sozialstaats, Hunger, Krankheiten, soziale Unruhen, Anarchie.
Das große "Aber"
So euphorisch heute auch alle, einschließlich mir selbst sind (wir hatten gestern Morgen bereits einen dicht abgesicherten Long-Zertifikat empfohlen und Anfang der Woche einen Long-Zockerschein), ich mag derart starke Kursbewegungen nicht! Wir müssen abwarten, ob sich nach dem Verfallstag Anschlusskäufer finden. Andernfalls könnten sich diese Kursbewegungen schnell wieder in Wohlgefallen auflösen.
Also, lassen Sie sich nicht verrückt machen, wenn Sie heute nicht in den Markt gekommen sind, warten Sie ab was die nächste Woche bringt. Wenn sich der Markt tatsächlich stabilisiert, bleibt noch viel Zeit einzusteigen.
Viele Grüße
Jochen Steffens
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